Lockdown II, Woche II

An Lockdown I hat mir gut gefallen, dass meine Familie stets da war. Dass wir so viel Zeit miteinander verbrachten. Bei dem sommerlichen Wetter, das uns das Frühjahr bescherte, saßen wir an der frischen Luft und spielten ununterbrochen Gesellschaftsspiele. Jetzt, bei Lockdown II muss ich leider gestehen, dass mir das familiäre Getummel manches Mal zu viel ist. Es schallt ein permanenter Geräuschpegel aus Radio, Stereoanlage, Mobilphone oder TV. Sind diese Geräte mal still, wird geplappert. Nur selten ist man allein zu Hause und hat seine Ruhe. Wie sieht das bei Familien mit kleinen Kindern aus? Über diese Frage möchte ich nicht weiter nachdenken! Dennoch fallen mir Erlebnisse ein, die mich in dieser Woche erfreut haben und nun angenehm nachklingen: Eines Abends saßen wir zu fünft am Esstisch, der – statt mit Leckereien – mit Pergament- und Transparentpapier, Fotokarton, Scheren und Klebestiften bedeckt war. Inspiriert durch unser kleines Nachbarsmädchen wollten wir Laternen basteln. Die Kleine hatte uns selbst bemalte Papiertüten geschenkt, die wir beleuchtet in die Fenster stellen sollten. Um zur Martinszeit wenigstens etwas Licht leuchten zu lassen, wenn schon kein Laternenzug durch die Straßen wandern darf. Mit Eifer und Spaß waren wir am Werk. Und Erinnerungen tauchten auf: Früher nahm ich mir Urlaub, um beim Laternebasteln in Kindergarten und Schule dabei zu sein … Zurück ins Jetzt: Ich lese Zeitung, als mein Sohn aufkreuzt (Kann man denn nie seine Ruhe haben?) und fragt: „Mama, hörst du die Gänse?“ Ich höre nichts. Wir öffnen die Tür zur Terrasse und da: lautes Schnattern. Direkt über uns. Ein riesiger Gänseschwarm will dem nordischen Winter entfliehen. Allerdings kreiseln die Vögel wie orientierungslos über unseren Köpfen. Es dauert eine Weile, bis wir erkennen, dass sie sich lediglich in die Höhe schrauben, um dann gen Süden zu ziehen. Wir schauen ihnen wehmütig hinterher … Völlig hingerissen beobachten wir dann ein, zwei, drei weitere Gänse-Formationen, die sich verabschieden. Wir winken und freuen uns auf ihre Rückkehr! – Und hoffen gleichzeitig auch auf die Rückkehr einer Zeit, die nicht mehr von Corona bestimmt wird. Franziska Lachnit (November 2020)

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