Der alte Mann

Ein anderer Mann, wesentlich jünger, wurde gerade aufgerufen. „Jetzt kann es ja nicht mehr lange dauern“ denkt Herr K.. Er sitzt schon eine ganze Weile hier und wartet; so lange, dass er bereits müde und irgendwie erschöpft ist. Außerdem wundert er sich, wie das wackelige Wartezimmerstühlchen sein erhebliches Übergewicht tragen kann; er traut sich kaum, sich zu bewegen. Langsam fallen seine Augen zu. Anfangs wehrt er sich dagegen, aber die Müdigkeit ist schwer und machtvoll. Herr K. versinkt in Schlaf …

„Herr K. bitte in Zimmer zwei!“ „Jetzt muss ich mich doch bewegen“, und Herr K. quält seinen massigen Körper vorsichtig aus dem Stuhl. Zimmer zwei ist kalt und weiß gekachelt; klinisch. „Wie in einem Schlachthof“ denkt Herr K.. Neonlicht blendet in dem eigentlich verdunkelten Raum; hier befindet sich nichts anderes als ein eingeschalteter PC, eine Liege, ein Waschbecken ohne Wasserhahn (!?) – und Herr K.

Herr K. fühlt sich nun noch müder und erschöpfter als zuvor und fröstelt. Er hievt sein Übergewicht, schwer wie Blei, auf die Liege und setzt das Warten fort. Nichts ist in diesem Raum, das einen vom Warten ablenkt oder das einen irgendwie wach halten kann. Zunächst lauscht Herr K., ob er Geräusche, die aus dem Rest der Praxis zu ihm durchdringen, interpretieren kann, dann verliert er die Kraft und das Interesse dafür. So merkt er nicht sofort, dass es ganz still geworden ist; dass da kein einziges Geräusch mehr ist.

Plötzlich dringt die erdrückende Stille zu ihm durch, und er öffnet mit einem Ruck des Erschreckens die Augen: Kein neongrelles Licht mehr – gar kein Licht; völlige Dunkelheit; der PC ist ausgeschaltet. Herr K. ist allein. Vergessen und gefangen in einer leeren Arztpraxis.

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