Bad Honnefer in Berlin

„Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen… Das trifft … nach meiner Kenntnis…ist das sofort…unverzüglich“, stammelt Günter Schabowski, Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ost-Berlin vor dreißig Jahren in die Kameras. Den Rest kennen wir. Der Satz war letztendlich der Auslöser zum ungeplant vorzeitigen Fall des Eisernen Vorhangs. Eine friedliche Revolution, bei der gottseidank nicht ein einziger Schuss fiel, feiert in diesen Tagen ihr rundes Jubiläum. Grund genug, die Feierlichkeiten mitten im revolutionären Zentrum mitzuerleben. 

Auf in die Hauptstadt

Das Bundespresseamt hat eingeladen und 50 Bürger aus dem Rhein Sieg Kreis, davon fast 20 Honnefer sind der Einladung gefolgt, das spannende Jubiläum mitten in unserer Hauptstadt zu feiern. Organisiert durch das Wahlkreisbüro von MdB Nicole Westig hat Büroleiter Benny Limbach vier politische Tage in der Hauptstadt vorbereitet, wie sie spannender nicht sein können. Und Berlin hat sich perfekt herausgeputzt. Per Stadtrundfahrt geht es an die historischen Stätten. Brandenburger Tor, Bernauer Straße und andere Gedenkstätten erinnern an 28 Jahre totale Isolation von 16 Millionen Menschen. Eingesperrt im Unrechtsstaat DDR.

Hexenkessel Berlin

Angetrieben wird die friedliche Revolution damals von Wünschen, Forderungen, Hoffnungen und Visionen unzähliger Menschen. Zu lesen auf Transparenten und Spruchbändern.  Und sie erheben ihre Stimmen „Wir sind das Volk“. Wünsche, Hoffnungen, Visionen haben die Menschen auch heute. Und die haben 30.000 Menschen jetzt wieder auf Bänder geschrieben, die als Kunstinstallation, leicht vom Wind bewegt, vom Brandenburger Tor beginnend über 150 Meter scheinbar schwerelos über der Straße des 17. Juni schweben. Leicht und schwerelos ist das tägliche Leben in der Stadt mit fast 3,8 Millionen Bewohnern allerdings nicht mehr. 

Wohnungsnot ist allgegenwärtig. 

Überproportional steigende Mieten vertreiben Menschen, die Jahrzehnte in ihren Mietwohnungen gelebt haben. 5.000 Wohnungen werden so jährlich zwangsgeräumt, teuer saniert und als Eigentum weiterverkauft. Obdachlosigkeit greift um sich. Andererseits sieht man in kaum einer anderen Stadt so viele Baukräne wie in der Hauptstadt. 

Bike – Sharing und Co.

Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass Berlin auch in vielen anderen Lebensbereichen an seine Grenzen stößt. Mobilität wird zunehmend schwierig und kommt zeitweise ganz zum Erliegen. Mit Car- und Bike-Sharing sowie Elektro Rollern wird alles versucht, den Individualverkehr einigermaßen aufrecht zu erhalten. Auch hat die Stadt nicht genug Ordnungshüter und muss viel zu häufig alle Augen zudrücken. Aber irgendwie läuft das tägliche Leben, auch wenn der Stress erheblich ist.

Politisch unübersichtlich

Auch das politische Berlin scheint unübersichtlich zu werden. Mit 709 Abgeordneten – wir erinnern uns: 2005 waren es 603 – ist der Bundestag nach Indien das zweitgrößte frei gewählte Parlament der Welt. Die große Zahl behindert zunehmend dessen Arbeitsfähigkeit. Der Grund liegt in unserem komplizierten Wahlrecht. 

Transparenter Bundestag

Von der Glaskuppel hat man einen guten Blick in den Plenarsaal, der vom Reichstags-Blue der Stuhlbezüge beherrscht wird. Hier finden von Mittwoch bis Freitag Debatten statt. Härtester Tag: donnerstags. Die planmäßige Sitzungsdauer geht von 9.00 Uhr bis Freitag in der Frühe um 4.00 Uhr. Einige Gebäude im Regierungsviertel sind durch unterirdische Gänge verbunden, so dass die Abgeordneten trockenen Fußes und ungesehen ihre Arbeitsplätze erreichen können. Unspektakulär ist dagegen der Bundesrat, in dem die Ländervertretungen die Legislative föderal überwachen. 

Das Verteidigungsministerium

Da man in vier Tagen nicht alle Ministerien besuchen kann, hat Organisator Benny Limbach für unseren Besuch das Verteidigungsministerium gewählt. Eine gute Wahl, wie sich vor Ort herausstellt. Äußerst interessante Themen werden zurzeit angefasst. Eines der wichtigsten Ziele ist es, die Bundeswehr zu vergrößern. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht gibt es keine „Schnuppermöglichkeiten“ mehr, Arbeitsplätze dort auszuprobieren. Hier setzt man jetzt auf digitales Marketing, wie Instagram, Facebook aber auch YouTube mit der derzeit laufenden Kampagne „Die Rekrutinnen“.

Diskussionsrunde mit Nicole Westig

Besonders spannend gestaltet sich die abschließende Diskussion mit der Abgeordneten unseres Wahlkreises Nicole Westig (FDP) und sechs ihrer Fraktionskollegen. Interessante Themen werden diskutiert. Als pflegepolitische Sprecherin der FDP geht es natürlich auch um die Zukunft der Pflege sowie einer eventuellen Impfpflicht. Aber auch ein Tempolimit auf Autobahnen, die Energiepolitik, die Digitalisierung und eine Wahlrechtsreform werden thematisiert. Wie geht man mit der AfD um, die sich überhaupt nicht an parlamentarische Regeln hält und die permanent versucht Abläufe im Bundestag zu torpedieren. Und natürlich stand Christian Lindner im Mittelpunkt, dem die nicht optimale Kommunikation der Entscheidung aus den Sondierungsgesprächen auszusteigen vorgeworfen wird.  Ein paar hochinteressante Tage, in denen alle die Chance hatten, hinter die politischen Kulissen zu schauen.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Kamera des Fotografen beim abschließenden Fototermin ausschließlich in zufriedene Gesichter blickt. Peter Hurrelmann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert