Eine Stadt im Winter

Isolation. Typisch Winter. Ein seltsames Gefühl: Die Menschen isoliert, in ihren Häusern. In ihren Zimmern. Jeder für sich. Jeder mit seinen Gedanken, Gefühlen, Träumen … Menschen in Häusern, in Zimmern. Eigentlich nebeneinander. Eigentlich ganz nah – und doch getrennt. Isoliert.

So muss es nicht in jedem Fall sein. So muss es sich nicht unbedingt anfühlen. Aber jeder kennt doch dieses Sich-Zurück-Ziehen, wenn die Tage kürzer werden und die Grade auf dem Thermometer stetig sinken! Wir kuscheln uns ein. Wir gehen nur noch vor die Tür, wenn wir etwas zu erledigen haben – und nicht einfach so, weil es schön draußen ist. Wenn wir jetzt Bekannten begegnen, grüßen wir wie üblich freundlich, aber fröstelnd und halten uns nur noch mit wenigen Worten auf.

Es ist zu kalt, um auf dem Gehweg stehenzubleiben und ein lockeres Schwätzchen zu halten, wäre es auch genauso nett oder informativ wie noch vor ein paar Wochen. Der Sommer ist gegangen und hat die Zufallsbegegnungen mitgenommen, die uns ab und an eine spontane Einladung auf einen Kaffee oder ein Bier beschert haben. Wolkenschichten trüben nun das Licht; Nebel hüllt uns in Schwermut und schlimmstenfalls in Einsamkeit. Wir puppen uns ein. Wie ein Schmetterling vor seiner Entfaltung. Und genauso wie er warten wir jetzt schon darauf, dass das Licht sich endlich wieder erhebt.

Dass uns ein laues Lüftchen zum Leben erweckt. Und dass uns die Sonne mit ihrer ganzen Kraft emporzieht. Bis dieser Moment kommt, halten wir uns fest an dem Vertrauen, dass sich das Rad der Jahreszeiten zuverlässig weiterdreht. Aber jetzt sehe ich der frühen Finsternis zu. Wie die Sonne, eilig und heimlich untergeht, den milchigen Himmel mitnimmt und wie alles in tiefem Schwarz versinkt. Ich weiß, dass der Winter unausweichlich ist. Franziska Lachnit (2016)

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