Neue Erkenntnisse aus alten Zeiten

Müllkippe unter nördlichem Stadtgarten

Die Zeitzeugen leben noch. In den 50er Jahren spielten sie an und auf jenen Flächen, die heute „nördlicher Stadtgarten“ heißen. Für sie gehörte wie selbstverständlich dazu, dass die Müllwagen von der Hauptstraße in die „Am Spitzenbach“ abbogen, dort rheinwärts fuhren, die Alexander-von-Humboldt-Straße links liegen ließen und drei Gebäude später an den seit der Besatzungsverwaltung sogenannten „Engländerhäusern“  in einer ordentlichen Zufahrt verschwanden Richtung Norden. Da luden sie dann ihre Fuhren ab. Denn dort war die die Müllkippe der Stadt. Legal, über Jahre in Betrieb, ordentlicher Sammelraum.

Beide Katastergraphiken (siehe gedruckte HWZ) stammen aus dem Katasterarchiv des Rhein-Sieg-Kreises. Die eine zeigt, wie es heute aussieht – z.B. mit Hotel Seminaris und durchgehender Alexander-von Humboldtstraße. Die andere ist die originale aus 1956 – also ohne Seminaris und mit der Humboldtschen lediglich als Stichstraße samt anschließendem Trampelpfad. Kreuze in beiden Karten bezeichnen die verbürgten Deponieorte. Wie weit tatsächlich über die Jahre abgeladen und eingelagert wurde, weiß man heute nicht. Es ist beträchtlich, jedoch nicht kartographiert. Denn was im Kreisarchiv nicht liegt, wird auch auf Nachfrage in der Kommunalverwaltung oder bei der BHAG nicht zu finden sein.

Die Müllwagen kamen von der Bad Honnefer Aktiengesellschaft. Die war schon 1948 durch Zusammenschluss der „Stadtwerke“ und der „Städtischen Kurverwaltung“ gegründet worden. Müllabfuhr gehörte damals noch zu den Aufgaben der BHAG. Erst Anfang der 80er Jahre übernahmen Andere und letztendlich der Rhein-Sieg-Kreis mit seiner RSAG diesen Job – was neben der zeitnahen Schließung der beiden Kurkliniken „Siebengebirge“ und „Drachenfels“ den großen Firmenumbruch und damit die Neuausrichtung der BHAG ausmachte.

Die Kippe wurde einst geschlossen und versiegelt. Bereits bevor der neue Vorstandsvorsitzende Erich-Dieter Walkenhorst sein Amt in den Siebzigern antrat. Lange diente die Kippe als kommunale Deponie; wie viele Jahre exakt, das wird nur schwer zu ermitteln sein. Jedenfalls warfen hier nicht ein paar Egoisten ihren Abfall in den Wald – eine Stadt entsorgte so organisiert zumindest den Unrat ihres Talbereichs. Auch wenn Ausmaß und Grenzen der Kippe kaum präzise zu definieren sind, so bleiben doch zwei Umstände harter Fakt: Das zur Ablage genutzte Areal war nicht klein und es lag genau dort, wo heute beplant werden soll. Hinzu kommt, dass zur aktiven Zeit der Deponie Mülltrennung nicht existierte. Da liegt also absehbar fast alles, was zu befürchten ist. – Glücklicherweise gut versiegelt, bewachsen, direkt an Schnellstraße und Bahntrasse auf für den Zweck des Wohnens nicht wirklich geeignetem Grund.

Die finale Überlegung lohnt, jetzt mit Eile aus dem Projekt auszusteigen. Spätestens seit Veröffentlichung der Lärmkarten des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) in der letztwöchigen HWZ ist klar, dass Wohnen in akzeptablen Umständen hier nicht geht. Zumal bei genauer Betrachtung dieser mit dem Bundesadler autorisierten Karten klar wird, wie gut der nördliche Stadtgarten in heutiger Beschaffenheit seine Schutzfunktion allein schon betreffend Lärmimmission erfüllt. Voraussehbar sind die katastrophalen Ergebnisse der bereits vorbereiteten Messung von Feinstaub, Stick- und Kohlenstoffoxiden, sonstigen Schadstoffen. Wer will sich das noch antun, wer will weiter Kosten erzeugen?

Es muss erlaubt sein, Konsequenzen zu betrachten. Wie ließe sich ein solches Objekt vermarkten? Vorschlag von der Terrasse der Rhöndorfer Eisdiele: „Neues Wohnen auf alter Kippe“. Zynisch? Wer so kritisiert, der mag bedenken: Junge Familien mit Kindern (!) und ohne hohes Einkommen sollen gewonnen werden, sich neben Schnellstraße und Bahn anzusiedeln, exponiert mitten in diverse Schadstoffe hinein, jenseits aller Lärmverordnungen laut; im Bereich einer ehemaligen Mülldeponie aus der Zeit mangelnder Vorsicht, die durch Baumaßnahmen wieder großflächig geöffnet würde.

Angesichts des neu zusammengetragenen Wissens könnten Alle sagen, dass man diesen Umfang der Belastungen und Kontraindikationen ja nicht gewusst habe. So bietet sich eine neue Ausstiegsstrategie. Was zum Verzicht auf die Klärung mancher wichtigen Frage führen würde. Geht Quantität vor Qualität? Dürfen Sport- und Gemeinbedarfsflächen planiert werden? Braucht die Stadt die grüne Spange entlang des Flusses? Warum gehen die Uhren in Bad Honnef anders, während  ganz Deutschland nach der Hitzewelle berät, wie Grün in den Städten zu sichern und auszubauen ist? Oder hat Trump doch recht, dass gegen den Klimawandel nichts getan werden muss, weil es den Klimawandel ja gar nicht gibt? Schade, denn Verzicht auf und Ausblendung von solchen Debatten wäre auch im lokalen Rahmen bedauerlich.                                                                       Burkhard Hoffmeister/Grüne

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