Puppenstubentraum

Die kleine Anni war eine Puppenmami aus ganzem Herzen. Zu Hause hatte sie eine große Puppenstube: tapeziert  mit Röschentapete und möbliert mit pastell-gelben Plastik-Puppenmöbeln. Bei ihrer Großmutter gab es sogar zwei Stuben zum Spielen. Sie waren kleiner, aber dafür mit richtig antiken Möbelchen und winzigem Porzellangeschirr und kleinen Kupfertöpfen. Miniatur-Spitzendeckchen zierten Tisch und Anrichte aus echtem Holz!

Die mit liebevollen Malereien versehenen Bettchen waren von handgenähter Wäsche bedeckt. Das war eine altertümliche und wunderbare Welt für Anni. Sie lebte darin wie in einem Märchen, wenn sie damit spielte. Das geschah leider recht selten, weil man die Großeltern nicht so häufig besuchte – höchstens einmal im Monat. Mutter nahm dann zusammen mit Anni und dem kleinen Bruder den Zug. Abends holte Vater sie mit dem Auto wieder ab. Anni wünschte sich sehr, dass aus ihrer eigenen, spartanisch eingerichteten Puppenstube etwas Bedeutendes würde.

Als Vater einige Wochen vor Weihnachten mehr Zeit als üblich in seinem Werkkeller verbrachte, merkte Anni nicht, dass gleichzeitig ihre Puppenstube verschwunden war. St. Martin, Nikolaus, Schlittenfahren – so viel Ablenkung. Dann kam Heilig Abend! Der Nachmittag zog sich für Anni und ihren Bruder zähflüssig in die Länge. Endlich, als die Dunkelheit hereinbrach, wurde der Baum geschmückt.

Dann schickten die Eltern die Kinder aus dem Zimmer. Schließlich erklang Mutters Klavierspiel: „Ihr Kinderlein kommet …“ sang sie. Die Kinder stimmten nur halbherzig ein, denn ihr Blick fiel gespannt und aufgeregt auf die Geschenke. Alle waren feierlich verpackt bis auf eines: Anni traute ihren Augen nicht: Die einfache Rosentapeten-Puppenstube hatte sich in ein buntes, gemütlich möbliertes Haus mit vielen Zimmern, einer Treppe und einem Dach verwandelt. Annis Traumhaus! Franziska Lachnit (2017)

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