Sie holten sich die Welt ins Haus

Die Welt ist hier. „In einem Irgendwo, wo wir nicht sind und auch nicht sein müssen, ist nicht unsere Welt. Wir sind hier.“ –  Zuerst unbemerkt machte allerdings ein kleiner Teil der unbekannten Welt aus dem Irgendwo ein paar riesige Schritte und stand quasi plötzlich bei ihnen im Wohnzimmer. Zuerst natürlich noch nicht direkt darin, aber schon ganz nah – und bald tatsächlich mitten drin.

Die zunächst unbekannten Menschen waren freundlich, interessant und in gewisser Weise spannend. Sie brachten Essen, Sitten und Gedanken mit, die man nicht kannte, aber sehr gerne kennenlernen  wollte. Die Unbekannten brauchten Hilfe, die man ihnen sehr gerne geben wollte. Und so kam es, dass man sich eine neue Welt ins Haus holte: Kinder aus einer verlorenen Heimat tollen nun durch den Garten. Männer und Söhne kämpfen jetzt von hier aus um das Überleben ihrer Frauen und Mütter in jener hoffnungslosen Heimat.

Hier verschmilzt die nahe und vertraute Welt mit der fernen Welt des Ungekannten. Kinder, gezeugt irgendwo, werden hier geboren. Dann feiern wir ihren ersten Geburtstag – so wie wir es zuvor noch nie erlebt haben: Selig schlafende Babys, zufrieden schlummernde Greise, fein geschminkte Frauen mit bunten Kopftüchern, Männer mit dunklen Augen und schwarzem Haar. Daneben die Oma, der Onkel und der Nachbar.

Vertraute treffen auf Unbekannte. Einer neben dem anderen füllt das Haus und den Hof. Lachend und dem Augenblick glücklich ergeben. Ein Jahr später sind aus der einfachen Hilfsbereitschaft viele Freundschaften gewachsen. Mittlerweile kennt man einander, spricht offener, nimmt sich herzlich in die Arme und weiß um die Sorgen und Wünsche des Anderen – man tröstet und muntert sich gegenseitig auf. Das ist unsere Welt. Eigentlich klein, aber dennoch so unfassbar groß! Franziska Lachnit (2018)

Foto: Christian Adams

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