Manifest

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; insbesondere wenn man mal wieder zuviel arbeitet. 2 Wochen Dauerentschlafung wegen bevorstehendem Festival und weiß ich noch was haben mich zwischendurch an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit gebracht. So kam es, dass ich mich denn nach gefühlten 10.000 Nadelstichen bemüßigt sah, statt meinem normalerweise gebrauchten Florett den dicken Säbel auszupacken und ein sogenanntes Manifest zu verfassen.

Ich gestehe, der 200. Geburtstag Karl Marxens geisterte wohl durch meinen Hinterkopf. Nun denn, da ich den Säbel nicht gewohnt bin, kam es wie es kommen musste, dass er mir ziemlich entglitt. Eine ursprünglich sachlich berechtigte Kritik wuchs sich zu einem mächtigen Hieb unter die Gürtellinie aus, zudem noch bei der ein oder anderen falschen Person.

Ich war selbst am meisten erschrocken, nicht so sehr über die berechtigten Reaktionen, mehr über meine eigene Wut, die sich da so unvermutet öffentlich Bahn brach. An dieser Stelle möchte ich somit ein ausdrückliches „Bitte verzeiht mir“ an alle richten, denen ich in meiner Rage blutige Wunden geschlagen habe. Den Hauptprotagonisten erwartet noch eine persönliche Verneigung in Form einer guten Flasche einheimischen Rebensaftes.

Den Säbel habe ich übrigens mittlerweile im Rhein versenkt, meine 1955er Ausgabe des 2-bändigen Kapitals habe ich meiner naseweisen und streng katholisch erzogenen Nichte geschenkt und statt gefeierten Manifesten gibt‘s ab jetzt nur noch Manilose. Vielleicht gewinn ich ja mal was, Weisheit und Gelassenheit z.B.

Ein vorletztes Wort noch an meinen geschätzten Verleger: redigieren geht über zensieren. Nu bin ich auch wieder artig statt bös, damit wegen meiner Antikonformität nicht der Honnefer Hautevolee bei Karlottas das Cremeschnittchen aus der Hand rutscht. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Und darum ging es:

R H Ö N D O R F M A N I F E S T von Helge Kirscht

GOOOOD MORNING RHÖNDORF und ja, ich liebe Rhöndorf seit 21 Jahren und ich liebe die Menschen hier (na gut, nicht alle, aber fast). Es gibt die Rhöndorfer und es gibt den Bürger- und Ortsverein Rhöndorf. Die Mitglieder dort sind zwar wahrscheinlich überwiegend Rhöndorfer aber nicht alle Rhöndorfer sind im Bürgerverein. Jaja, komm doch in den Verein, wenn du was ändern willst.

Ja, ich will was ändern und nein, ich will nicht in den Verein. Wenn du dir das Manifest zur 150 Jahr-Feier anguckst, wirst du wahrscheinlich sehen, dass in der Gründungsurkunde (übrigens vom damaligen Alterspräsidenten Alfred persönlich unterschrieben) der minutiös geplante Ablauf der Rhöndorfer Kirmes auf alle Zeiten festgelegt wurde, inklusive Musikabfolge. Den braucht Alfred jetzt nur noch aus seiner knarrenden Schublade zu ziehen, stemmt mal wieder die Monsterveranstaltung und ist der King of Kotelett. Und Neurhöndorfer, die wahrscheinlich noch nicht mal mehr aus der Schule wissen, was eine Vereinssatzung ist, lächeln über das Festprogramm, freuen sich, ein paar leckere Kölsch oder Wein mit den Altnachbarn zu metern und lassen Ihre Kinder auf dem tollen Karussell von 866 fahren.

Hauptsache, wir haben einmal im Jahr Gelegenheit, mit den Nachbarn in Kontakt zu kommen und uns 2 Stunden anzustellen, um die leckersten Reibekuchen im 7Gebirge zu futtern (… um dann am Sonntag Mittag zu erfahren, dass leider der Teig gerade ausgegangen ist). Dass du mit den akustischen Darbietungen, die dort seit Anbeginn in Dauerschleife auf hervorragend gestimmten Highclasslautsprechern laufen, normalerweise aus Tierschutzgründen noch nicht mal die Wildschweine aus dem Weinberg jagen dürftest, interessiert dann keine Sau.

Wir wollen hier keine Namen und Fakten nennen, aber würdest du in deinem Taxiunternehmen Tuctucs oder Tatas einsetzen, selbst wenn sie dir von einem Rhöndorfer Nachbarn geschenkt würden? Und 100m weiter haben wir eine wunderschöne Abstellkammer für Alfreds Lieblingskram, gegen die das Grab von Konrad auf dem Waldfriedhof belebter wirkt als der Petersplatz bei einer Papstaudienz.

Alternativprogramm: Wir haben KEINE Kirmes (SAKRILEG) und verzichten auf ein Wochenende voller abgelaufener Highlights, stattdessen gestalten und beleben wir Rhöndorfer (ob mit oder ohne Vereinstätowierung) 365 Tage im Jahr einen frisch renovierten, täglich geöffneten, vereinseigenen Raum in bester Lauflage für alle Wanderer, denen wir in modernen Präsentationen auf Bildschirmen unsere wunderschöne Heimat präsentieren könnten (für Alfred: Bildschirm findest du unter Wikipedia – für Peter: schenk Alfred mal die 26-bändige Gesamtausgabe von Wikipedia für sein Bücherregal).

Dort gibt es immer nette Menschen aus dem Ort, die gerne Pläuschchen halten und Dönekes erzählen. Dort kann man einheimische Produkte kaufen wie 7gebirgskaffee, Weinsortiment von Pieper, Broel und Siebdrat, mundgeklöppelte Klorollenhalter für die Mercedes-Ablage, Briefmarken, T-Shirts mit Rhöndorfer Motiven von den Rein-Brothers, CDs der 7 Mountains Music Night, jeden Tag kann eine der umtriebigen Rhöndorfer Landfrauen mit einem Topf hausgemachter Suppe die Kriegskasse füllen und jeden Freitag mittag vor dem Wochenende gibt es das RHÖNDORFER REIBEKUCHENMASSAKER MIT FLATRATE UND MONATSABO.

Wenn in dem gesättigten Wanderer danach der Wunsch nach einer intellektuellen Unterhaltung erwacht, so schickt man ihn nach nebenan zu der kosmopolitischen Nachbarin Milena Kunz-Bijno, eine weltweit ausgezeichnete, multisprachbegabte Künstlerin, die vom Rhöndorfer Bürger- und Ortsverein behandelt wird, dass jeder osteuropäische Wanderarbeiter vom Broel nach dem ersten Tag das Weite suchen würde, und daneben einem bundesweit bekannten, ehemaligen Spiegelreporter und Adenauerzeitzeugen, der jetzt eremitenhaft in seinem Hühnerbunker thront (Achtung Ironie) und der mit seinen Erlebnissen sicherlich Myriaden von Kindern im Erzählcafé nebenan unterhalten könnte.

Und beim Weinfest buckeln dann nicht 1 Woche die ewig gleichen 20 Hanseln unter Führung von Alfred, dem ich als Sohn sicherlich kein 50-Liter-Fass mehr aufbuckeln würde, sondern für einen Nachmittag kommen mal eben 100 Helfer aus der Nachbarschaft, scharen sich ums Fässchen, und der Ziepchensplatz steht in 2 Stunden. Vielleicht könnten wir Alfred ja dann die ehrenvolle Aufgabe übertragen, handschriftlich die 80 Rhöndorf-VISA für die Nichtmitglieder im Verein auszustellen.

Aber ich spinne nur ein bisschen rum, sorry, ihr wisst ja, dass ich seit 10 Jahren so ein Märchenerzähler bin, der sich mit Kräutern aus dem eigenen Garten versorgt und ansonsten nix auf die Kette kriegt. Zum Abschluss: Ich gestehe ausdrücklich, ich liebe Alfred Höhler, ich bin ein Fan von Alfred Höhler. Ich bin dir und deinem Rhöndorfer Bürgerverein unendlich dankbar für die oftmalige Unterstützung der 7Mountains Music Night.

Ich verneige mich vor deiner Lebensleistung und deiner unerschöpflichen Energie, nicht mitsamt dem Stuhl aus dem Schaufenster vom Heimatcafé zu kippen, und du bist eines der liebenswertesten Faktoten, die wir im ganzen Siebengebirge haben. Alfred (bitte druck ihm das ein lieber Mensch aus): wir werden dich immer in ehrendem Gedenken halten und im zukünftigen offenen Revolutionsladen werden Che Schmitzara und die Heilige Birgit d’Arc, Jungfrau von Rhönleons ein schönes Bild von dir mit Autogramm aufhängen (keine Angst, Kampfgenosse Peter ist rausretuschiert).

Lieber Alfred, das Internet ist kein Neuland mehr, wir haben den Euro, es gibt Farbfernsehen und Frauenwahlrecht, Konrad ist Ex-Kanzler, das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen ist mittlerweile so etwas wie eine Räterepublik und Alfred, es gibt menschliche Wesen. Das ist so etwas ähnliches wie Untertanen, nur ohne Wackeldackelnacken, sondern mit einem eigenen Willen. Dein Nachbar Carsten gehört zu dieser Spezies, aber Gottseidank nicht alle hier im Ort.

Und all das, Alfred, hat dein Kirmeskonzept unbeschadet überstanden. Aber Alfred, da gibt es Leute, die mögen keine 20er-Jahre Musik auf der Kirmes. Alfred, es wird ein Schock für dich sein, es gibt Leute BEI UNS IM ORT, die mögen überhaupt KEINE KIRMES. Und Alfred, es gibt Gerüchte, dass es sogar Menschen hier in Rhöndorf gibt, die wissen gar nicht mehr, was eine Kirmes ist. Kirmes? Ist das sowas wie ein Handy mit Spiralkabel und Wählscheibe? Schnickschnack.

Also nochmal: Alfred, dein Name ist in der Rhöndorfer Chronik auf immer verewigt. Jetzt hängt es an dir, ob in 150 Jahren bei Ausgrabungsarbeiten ein Archäologe noch alte Schriftrollen mit deinem Faksimile findet und sich fragt, wer wohl der Alfred war, oder ob sich tagtäglich die spielenden Kinder vor deinem Wohnzimmerfenster tummeln und singen: Alfred, wir danken dir für diesen Laden hier, wir danken dir. Oder sie singen: Don‘t you know, you‘re talking bout a revolution, it sounds like a whisper. 

Flammen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; manchmal auch entsetzlich, also quasi entsetzlich entbehrlich. Nein, bevor ich mich da wieder verreite, im Moment ist wirklich nicht die Zeit, die Kultur zu ignorieren. Am Samstag erst haben sich tausende von Menschen am Rheinufer herum gedrückt, um schwimmende Lichterketten und ein bisschen explodierendes Schwarzpulver zu bestaunen. Ja ja, sagen Sie, schon dutzende Male erlebt, wo ist da der Thrill? Wo ist da die Kultur? In unserer bunt gemischten Clique, die erstmalig am Rhöndorfer Rheinufer gefeiert hat, war unter anderem auch der weibliche Besuch einer Freundin. Sie kommt aus Bali und macht zur Zeit an der Bonner Uni ihren Doktor in der Entwicklung ländlicher Gebiete. An der kindlichen Freude in ihren Augen habe ich gesehen, dass die Rhein-in-Flammen-Premiere sie doch ein wenig angerührt hat; vielleicht so wie wir als Touristen ein Drachenboot-Rennen vor dem Tempel bestaunen. Kultur berührt einen wohl eher, wenn man exotischen Ritualen beiwohnt, die noch zudem eine längere Tradition haben. Rhein in Flammen gibt es hier bei uns gerade mal seit 1956, da haben die Drachenbootrennen wohl eine längere Tradition. Wobei, die Römer sollen ja damals schon nachts mit Fackeln den Rhein hinunter gefahren sein. Bloß gut, dass die Strömung sie dann ans linke Rheinufer getrieben hat, und sie dort ihre Kultur verbreiten konnten. Die Legio I Augusta hat es bekanntermaßen nicht geschafft, an unserer Seite Fuß zu fassen. Nun, auch das Barbarentum kann man gepflegt kultivieren. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Nachkommen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; manchmal auch verderblich, kommt drauf an. Die Artefakte aus meinem derzeitigen Archäologiethriller z.b. sind es sicherlich nicht; Tontafeln mit Keilschrift kommen einfach nicht aus der Mode, auch wenn nur den Wenigsten ihre Bedeutung klar ist.

Wie wird das wohl in ein paar tausend Jahren mit der aktuellen Kultur aussehen? Ob unsere höher entwickelten Nachkommen wohl müde lächeln werden angesichts einiger silbrig-glänzenden Plastikscheiben mit digital (was war das noch?) eingeprägten Nullen und Einsen? Wahrscheinlich stufen sie uns in der Primitivität knapp über den Amöben ein. Wobei, natürlich erkennen auch die o.a. Archäologen eine Hochkultur, wenn ihnen denn eine unter die Schaufel gerät.

Aber kann man uns überhaupt als solche bezeichnen? Mit dem gegenwärtigen gesellschaftlichen und technologischen Wissen müsste eigentlich niemand aus dem 7,5-Milliarden-Menschen-Heer auf unserem Planeten mehr verhungern oder verdursten. Geschweige denn, dass gerade unsere wissenschaftliche und industrielle Entwicklung immer mehr Mord- und Totschlaginstrumente produziert und in Umlauf bringt. Der Sieg der Gier über die menschliche Kultur.

Wie kam ich da jetzt noch drauf? Egal, draußen lockt die Sonne. Viel zu sehr, um sich über vergangene oder zukünftige Kulturen Gedanken zu machen. „Ich glaub an den Moment, das ist meine Religion“ – Celina Bostic, hören Sie mal rein. Auch als CD erhältlich, damit zukünftige Altertumsforscher noch was zum Ausbuddeln haben. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Szene

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; hat man zumindest längere Zeit in der Gastronomie gedacht. Seit Jahren schon leiden Nachwuchsmusiker an der rapide schwindenden Zahl der Auftrittsmöglichkeiten in Cafés, Restaurants, Bars, etc. Zunehmende Nachbarschaftsintoleranz, das Totschlagargument GEMA und der auch immer wieder gern genommene Satz „Das ist nichts für meine Gäste“ sorgten dafür, dass es still in Deutschlands Kneipen wurde.

Das Ende vom Lied kennen Sie: nicht zuletzt auch das große Thema Nichtraucherschutz beschleunigte die Gesamtentwicklung, dass es speziell in der kleinen Kneipe an der Ecke nicht nur stiller sondern ebenso leerer wurde. Und auf leer folgte zu. Dieser bundesweite Trend ging natürlich auch an den 7gebirgswirten nicht spurlos vorbei. Wirtschaftliche Probleme, altersbedingtes Ausscheiden, fehlender Nachfolger, Laden dicht. Der Beruf hinter der Theke gehört wahrlich nicht zu den Top 10 auf der Attraktivitätsskala. Da freut man sich über jedes neue Licht am Szenehimmel.

Oder sollte ich eher sagen, im Szenekeller? Nähkästchengeplauder. Auf jeden Fall öffnet passend zum Wochenende der 7 Mountains Music Night am 2. Juni einer von Honnefs ehemaligen In-Schuppen unter neuer, versierter Leitung. Ach, wie hieß er noch gleich? Naja, Sie werdens bald erfahren. Und seien Sie gewiss, dass es dort alles andere als still zugehen wird, gerade und auch mit tatkräftiger Unterstützung versierter, Honnefer Musiker. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Zigarette

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; Zigaretten anscheinend ebenso, und mit Ihnen die Wahrheit. Vielleicht haben Sie ja auch schon die Diskussion um die neue 2-Euro-Münze mit dem Konterfei eines unserer letzten großen Staatsmänner mitbekommen. Oder Sie haben sie sogar schon im Portemonnaie.

Ich freue mich einerseits, dass der Zentralrat der Deutschen Bundesbank unsere gute, alte Schmidt Schnauze anlässlich seines 100. Geburtstages mit einer Gedenkmünze ehrt. Lächerlich hingegen ist, dass aus dem der Münze zugrunde liegenden Foto das omnipräsente Tabakröllchen aus des Altkanzlers Hand entfernt wurde. Das erinnert mich an eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle vor ein paar Jahren: Bilder, die lügen. Unliebsame Tatsachen oder Personen wurden schon seit jeher im Nachhinein aus den Bildern retuschiert, wenn es dem neuen Zeitgeist nicht gefällig war.

Wie weit soll das noch gehen? Gibts demnächst Che Guevara ohne Stern an der Mütze, Bob Marley ohne Joint oder Merkel ohne Raute? Deutsche Bundesbank, Ihr seid so kultur- und geschmacklos. Dass die von widerstreitenden Interessen geleitete Regenbogenjournaillie zu solch billigen Photoshoptricksereien greift, ist eins, aber dass eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts wie Ihr zu solch durchsichtigen Propagandamitteln greift, rüttelt doch ein wenig an den Grundfesten meines Staatsvertrauens. Ich werde mir jetzt so eine Münze besorgen und anschließend ein Helmut-Gedenk-Zigarettchen entzünden. Bis nächste Woche also, lügen Sie wohl.

Mohnschnecke

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; heute ist Dienstag, da ist sie nochmal entbehrlicher. Allerdings ist Dienstag in aller Regel mein Kulturgeflüstertag; Redaktionsschluss 14 Uhr, da gibts nix zu entbehren. Ich meine, morgen ist Mittwoch. Mittwochs ist immer wöchentliches „Großreinemachen“ bei uns im Büro. Da müssen wir für unsere Putzfrau die Schreibtische räumen.

Also ist das Beste am Dienstag, dass kein Mittwoch ist. Und Dienst habe ich heute auch nicht. Ein Dienstag ohne Dienst ist wie ein Donnerstag ohne Donner. Wobei es manchmal im Gewitter auch nur blitzt; und das Wetter soll ja schlechter werden. Freitag hab ich dann nochmal frei, das passt. Wenn dann am Samstag auch noch das Sams zurück kommt und am Sonntag die Sonne, ist ja wieder alles im Lot und die Woche rum.

Apropos Rum, ich könnt mich grad rumkugeln. Wenn mich mein Osterinstinkt nicht trügt, werden auch dieses Jahr wieder jede Menge Eier versteckt, aber Hauptsache nicht auf meinem Schreibtisch. Bis nächsten Mittwoch ist Zeit genug, dass die Dinger anfangen zu stinken. Außerdem hat Ei ja eh zu viel Cholesterin. Also her mit dem ungesunden Leben. Am Montag werde ich mir eine Mohnschnecke gönnen, damit ich dann wieder für den dienstäglichen Geflüsterschluss gerüstet bin. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Baff

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; wenn ich in der Vergangenheit nun ein „zumindest bei der Öffentlichen Hand“ folgen ließ, hab ich meistens richtig gelegen. Aber wie ich so zufällig mitten in der Nacht nach der Staatsministerin für Kultur und Medien google, fällt mir auf, dass ihr Etat im Bund für 2018 rund 1,7 Milliarden Euro beträgt und damit 17% mehr als 2017. Ich bin baff. Da werden doch bei uns tatsächlich nicht nur die Rüstungsausgaben erhöht sondern auch der Kulturetat.

Es ist noch nicht Hopfen und Malz verloren. Aber wofür wird das Geld nun eigentlich ausgegeben? Natürlich fließt es in solche Projekte wie Orgelsanierungen, die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes, den digitalen Ausbau der Deutschen Welle, die Sanierung von Synagogen und sogar der Vorbereitung von Beethoven 2020. Hoch lebe die Hochkultur.

Aber halt, in einem Nebensatz finde ich die Förderung der Initiative Musik, namentlich der Rock-, Pop- und Jazzmusik: 1,5 Mio Euro, Wahnsinn, knapp 0,1% des Gesamtetats. Ich spring aus dem Fenster. Da könnte ich direkt Kulturalmosenpfleger des Bundes werden. Wobei, die Versuchung wäre zu groß, mit den anderthalb Mios in der Tasche wäre die 7 Mountains Music Night die nächsten 50 Jahre gesichert; Inflationsrate ausgenommen. Poff! Sorry, der Wecker klingelt, muss über dem Zahlenstudium eingenickt sein. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Flaschenpost

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; na ja, zumindest aber mal vergänglich. Oder ? Vielleicht haben Sie auch gelesen, dass eine Australierin gerade eine deutsche Flaschenpost von 1886 gefunden hat. „Flaschenpost – was für ein herrliches altmodisches Ding“, schrieb der Bonner General-Anzeiger.

Den naheliegenden Witz über die Brieflaufzeiten der deutschen Bundespost erspare ich mir jetzt mal. Mich hat die Meldung aber deshalb so gekriegt, da wir am Wochenende bei unserer üblichen Rheinrunde tatsächlich auch eine Flaschenpost im Gestrüpp gefunden haben. Ok, von 1886 war sie nicht, und um die halbe Welt ist sie auch nicht gereist.

Alina, 7 Jahre, hat die Flaschenpost in Speyer an den Rhein übergeben, der sie gerade mal 253 km weiter wieder ans Ufer gespuckt hat. Da kamen schon ein paar nostalgische Gefühle auf. Ein handgeschriebener Brief an sich ist ja schon ein Stück Vergangenheitskultur, heute leider etwas aus der Mode gekommen, aber dann noch ganz ohne Briefmarke und in Flaschenverpackung. Wie schön, dass es so was noch gibt.

Wir haben der jungen Dame ein paar nette Zeilen geantwortet, im Umschlag auf dem normalen Postwege und mit ein paar Süßigkeiten garniert. Den ursprünglichen Brief haben wir übrigens wieder in die Flasche gerollt und dem Fluss übergeben; auf dass sich ein weiterer Finder freut, muss ja nicht erst im Jahre 2150 sein. Bis nächste Woche also, finden Sie wohl.

Osterwieck

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; zumindest bei Teilen unserer Kinder in Teilen unserer Republik. Kennen Sie Osterwieck, eine 11.000 Einwohner-Gemeinde in Sachsen-Anhalt? Nein? Ich bislang auch nicht. Aber letzte Woche rauschte eine dort ansässige Grundschule durch den bundesweiten Blätterwald. Ein ursprünglich interner „Elternbrief zur Schulsituation“ erlangte über eine lokale Tageszeitung überregionale Aufmerksamkeit. Das Lehrerkollegium berichtet darin von „permanent auftretenden, gravierenden Verhaltensproblemen vieler Schüler“, „extremer Gewalt, Körperverletzungen und Schlägereien“, „Sabotage“ sowie einer generellen „Gefühlskälte“ der Schüler untereinander. Gewalt auf dem Pausenhof ist ja mittlerweile kein Aufregerthema mehr und leider schon länger Teil unserer Jugendkultur, allerdings hat mich das Präfix „Grund“ vor der Schule denn doch etwas erschüttert. Dass man sich im Kindesalter mal knufft oder schubst, okay, aber dass ein normalerweise für erzieherische Maßnahmen ausgebildeter Lehrkörper mit solch drastischen Worten vor den Mini-Coopern kapituliert, gibt einem mehr als zu denken. Und bevor jetzt wieder jemand die Migrantenkeule schwingt: in der betreffenden Lehranstalt, laut Landesschulamt „ausdrücklich keine Brennpunktschule“, gibt es unter 162 Erst- bis Viertklässlern genau einen ausländischen Mitschüler. Aber wahrscheinlich trainieren die kleinen Racker dort schon für den nächsten G20-Gipfel in Deutschland – oder für die Nachwuchsultras vom 1. FC Magdeburg. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Kölsch-Alt-Schorle

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; vielleicht hier und da, aber bestimmt nicht in einer multikulturellen Branche wie dem Tourismus. Kultur und Tourismus befruchten sich nämlich gegenseitig, auch wenn das bei einigen Köpfen in Schlüsselpositionen noch nicht angekommen ist.

Angekommen ist allerdings ein Vertreter der alternativen deutschen Rechtskultur an der Spitze des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages. Sebastian M., seines Zeichens wegen körperlicher Gewalt vorbestrafter, sogenannter Politiker, soll als genau dessen Vorsitzender gewählt werden. Nachdem er im Parteienschacher soeben noch vom Kulturausschussvorsitz ferngehalten werden konnte, ist er nun dort gelandet, wo er selber wahrscheinlich gar nicht hin wollte.

Wer aggressive Körpersprache im Allgemeinen und aus ausländerfeindlichen Gründen insbesondere einsetzt, kann doch wohl nicht ernsthaft Spaß daran haben, Gäste aus aller Welt in unser schönes Land zu locken, geschweige denn, kompetent dafür sein. Abgesehen davon, dass Rechts und Kultur sich für mein Empfinden gegenseitig ausschließen wie z.B. Gas-Brems-Pedal oder Kölsch-Alt-Schorle, beginne ich angesichts solcher Repräsentanten unserer staatlichen Gremien ernsthaft zu überlegen, beizeiten auszuwandern. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.