JUBILÄUM: 2017 wird das Böllchen 30 Jahre jung

1boellchen1Es war kein so schöner Anlass. Vor 35 Jahren kamen Karl Heinz Broel und seine Schwester Hildegard Teichgreeber nach Rhöndorf, um ein Erbe anzutreten. In kürzester Zeit waren Großvater und Vater verstorben. Das Erbe: Ein Weingut, ein Hotel und ein schmuckloses Häuschen in der Rhöndorfer Straße 33. Karl Heinz Broel übernahm das Weingut, das Hotel Wolkenburg wurde verkauft, Hildegard Teichgreeber übernahm das schmucklose Häuschen aus dem Jahre 1720, das einst als fensterloses Lagerhaus diente. Ihre Vision: „Hier eine Weinwirtschaft zu errichten, nach dem „Heurigen“-Konzept“. Quasi eine Straußenwirtschaft. Die gab es bis dahin noch nicht, in dem beschaulichen Weinort, mit dem kleinsten Weingut der Region.

Knapp fünf Jahre lang tüftelte, plante und suchte Teichgreeber mit ihrem Gatten Götz. Denn: Das Haus war baufällig, kurz vor dem Einsturz. Es musste fast komplett entkernt werden, die morschen Fachwerkbalken wurden erneuert. Um das Weinhäuschen möglichst authentisch neu aufzubauen, „so wie eben die Häuser um 1720 waren“, reisten die Teichgreebers durch Deutschland und die angrenzenden Länder, um Ideen und natürlich Material zu sammeln. So stammt beispielsweise der komplette Dachgiebel aus Linz, der Holzboden wurde aus Frankreich nach Rhöndorf gebracht. Von innen und außen sollte die Weinstube Gemütlichkeit ausstrahlen. Entsprechend wurden auch die Innenräume ausgestattet. Die Wendeltreppe neben der kleinen Theke, die in den oberen Gastraum führt, stammt ebenfalls aus dem Jahre 1720. Am 17. Juni 1987 wurde das Böllchen eröffnet. Namensgeber war die Trinkschale, eben das Böllchen aus Ton, aus der seinerzeit der Wein getrunken wurde. Freilich nur die Zweitpressung für den Eigenbedarf. Schon bei der Eröffnung war klar: Teichgreebers Konzept wurde „vom ersten Tag an mit Begeisterung aufgenommen“. Neben dem Ambiente drinnen und im Weingarten sorgten in den ersten 25 Jahren Konzerte, Lesungen sowie kleinere Kulturveranstaltungen für enorme Anziehungskraft.

Eine ganz besondere Anziehungskraft hatte das Böllchen schon immer auf Anais Höffken, die seit acht Jahren die Geschicke des Hauses lenkt. Als Kind spielte sie oben auf der Empore und sah den Erwachsenen beim „schoppen“ zu. Aber nicht nur das: „Ein besonderer Spass war es für uns, den Erwachsenen von oben aus Pfennigstücke in die Weingläser zu werfen. Manchmal haben wir sogar getroffen“. Später half sie bei der Weinlese und war auch beim Keltern mit dabei. Vor und während ihres Studiums zur Designerin kellnerte sie in der Weinwirtschaft – viele Jahre lang. Für „Böllchen“-Erfinderin Hildegard Teichgreeber, war sie „die erste Wahl“. Und bei all der Romantik weiß Anais Höffken genau was sie tut. Mit der Gründung der Agentur Dreistil, die sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Eric Lechler betreibt, hat sie bewiesen, dass Sie ein Geschäft leiten und aufbauen kann. Das Deutsche Weininstitut in Mainz führt sie als anerkannte „Beraterin für deutschen Wein“. Doch sie verfügt über etwas, was kein Diplom bescheinigen und durch keine Ausbildung erlernt werden kann. Sie hat Herzblut für das „Böllchen“ und geht mit Leidenschaft an die Arbeit. Und sie will ganz nah dran sein. Nach und nach hat sie das Fachwerkhaus an der Rhöndorfer Straße in den vergangenen Jahren sensibel und geschmackvoll renoviert und präsentiert es nun im neuen „alten“ Glanz. Das Konzept, mit dem Anais Höffken damals die traditionelle Weinwirtschaft wiedereröffnete, ist klar definiert. Sie will das „Böllchen“ mit frischem Wind zu seinen Wurzeln zurückführen – dem Weingenuss in einzigartiger, gemütlicher Atmosphäre. Über fünfzehn offene Weine, vornehmlich aus deutschem Anbau, stehen zur Auswahl. Die Schiefertafel über dem Kachelofen dient als Tageskarte. Neben jahrestypischen hausgemachten Gerichten und Suppen, werden deftige Klassiker wie etwa Winzer-Vesper oder Käsebrett angeboten. bö

Auf dem Foto zum 25.Jubiläum: Götz und Hildegard Teichgreeber, Anais Höffken, Peter Profittlich (v.i.)