Journaille

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; aber während in unserem schönen 7gebirge die Kulturaktivitäten auf allen Kanälen frühlingsfrischen Wind unter die winterschlafmüden Flügel bekommen, welches sich vermehrt in Presse und sozialen Netzwerken ausdrückt, hat man das Gefühl, andere Aktivitäten haben sich aus der medialen Darstellung völlig verabschiedet.

Ich meine, nicht dass die Standing-Rock-Bewegung der amerikanischen Ureinwohner es je in die Schlagzeilen der deutschen Journaille (auch schön, die Wikipedia-Erklärung für Presse-Gesindel) geschafft hätte. Ein knapper 5-Zeiler irgendwo auf Seite 125 oder ein kurzer Satz im Überblick der Nachtnachrichten waren da schon das Maximum.

Eigentlich merkwürdig, wo doch viele von uns so wie ich im zarten Kleinkindalter mit Feuereifer Cowboy und Indianer gespielt haben; und beileibe waren die Cowboys nicht immer die Guten. Warum also zeitigt der derzeitige Kampf der Nachfahren unserer gefiederten Jugendheroen ums lebenswichtige Wasser in unserer Wahrnehmung so wenig Widerhall ?

Die gefährdete indianische Kultur ist unzweifelhaft eine der ältesten unseres Planeten. Die rheinischen Frohnaturen der Bläck Föös interpretierten es so (damals noch ohne polizeilichen Pfeffersprayeinsatz): „Indianer kriesche nit“. Äwwer nur, su lang dat Wasser vun Kölle no juut es … Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Wegschauen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; menschliches Grundbedürfnis hin oder her. Aber wenn der Bauch Hunger leidet, kann das Zwerchfell nicht vibrieren (ich hoffe, jetzt verlangt keiner einen Quellennachweis).

Natürlich geht die tägliche Nahrungsaufnahme vor den Konsum von Konzerten, Museen und Theatern. Aber schon interessant, dass der Anteil Freizeit und Kultur im Hartz IV Regelsatz an zweiter Stelle steht, direkt hinter Nahrung und noch vor Nachrichtenübermittlung, Bekleidung und Wohnen / Energie.

An letzter Stelle steht übrigens Bildung mit sage und schreibe 1,55 Euro im Monat; muss man nicht kommentieren. Aber zum Thema Hunger in der Welt hat sich ja hierzulande eine weit verbreitete Kultur des passiven Wegschauens entwickelt. Zum aktiven Wegschauen brauch ich mich jetzt nicht zu äußern, da hat jeder sein eigenes Bild.

Beim passiven Wegschauen ist es etwas perfider, da passiert das Unheil nicht direkt vor unserer Nase, sprich, ist nicht permanent präsent, und wird deshalb galant unterschlagen. Jeder hat schon vom Welthungerbericht gehört, mit einer hohen, dreistelligen Millionenzahl an Unterernährten, aber wen interessierts? Vielleicht sollte man das Thema Bildung bei uns wieder stärker nach vorne schieben, nicht nur beim Hartz IV Regelsatz. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Phrasen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; könnte man zumindest denken, wenn man die hiesige Kommunikationskultur seziert. Ich will jetzt nicht auf dem ganzen Talkshowgeseier herumreiten, welches der geniale Georg Schramm mal als „… Sprechblasenentleerung in den emotionalen Pissrinnen der Öffentlich-Rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Illner und Maischberger …“ bezeichnete.

Als fundamentaler Talkshowverweigerer kann und will ich mich dazu nicht äußern, da sind Andere berufener. Aber die Kultur der Phrasendrescherei in Politik und Gesellschaft greift schon sehr stark in meine intellektuelle Notdurft ein. In der Bundeskunsthalle in Bonn habe ich vor geraumer Zeit mal eine Phrasen-Dreschmaschine erworben, aus der Wortspielhölle des Übersetzerkollegiums Straelen (noch mit 4-stelliger Postleitzahl).

Ich zitiere wahllos und sinnfrei: „Die systematisierte Fluktuationsflexibilität erzeugt eine tiefe Bildungsbewältigung, deren echte Innovationspotenz bei mir eine innige Geistesverpflichtung hervorruft.“ Wenn Sie hierin keinen Sinn entdecken können, leih ich Ihnen mein Maschinchen gerne mal aus, auf dass es Ihren Informationsalltag erhelle. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Lagerfeuer

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; und das sage ich ausgerechnet jetzt, wo alles sprießt und fließt. Frühling lässt sein laues Band flattern durch die Lüfte.

Bei so einem Wetter muss auch die Kultur wieder raus; es riecht praktisch nach Biergartenkonzerten unter schattigen Bäumen, die Luft schwirrt von Open Airs im Sonnenschein, Instrumente tragende Studenten tummeln sich auf den Plätzen, durch die Fußgängerzone flirren Gesänge unzähliger Straßenmusiker, am Rheinufer liefert sich das Plätschern der Wellen, die von den Frachtern verdrängt ans Rheinufer rollen, einen Wettstreit mit Gitarrenklängen an knisternden Lagerfeuern, frisch erwachte Liebesgefühle finden Einzug in neu geschriebene Lieder junger, aufstrebender Nachwuchskomponisten, Worte, wohl an die tausende Male gehört, immer wieder neu beseelt, verliebte Jungs tanzen auf den Straßen, reiben ihre Nasen an den Frauen, die sich das gefallen lassen. Alles drängt nach draußen, die Frischluftkultur genießen. Vorbei die Zeit muffiger Proberaumaktivitäten und stickiger Kellergigs, jetzt geht‘s wieder ins Freie.

Im Frühling macht draußen einfach alles viel mehr Spaß, Musik erst recht. Und dazu noch ein frisches Frühlingssüppchen, mmh, lecker. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Populismus

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; wobei Kultur keineswegs unpolitisch ist. Lange Zeit kreiste die Kunst- und Kulturszene hierzulande weitgehend um sich selbst. Aber dann kam der Dornröschenkuss des Prinzpräsidenten Donald T., mehrfach bereits Topic dieses Kulturgeflüsters.

Und schon sieht und hört man weltweit wieder Künstler gegen die herrschende Politik auferstehen. In einer aktuellen Spiegel-Online-Kolumne von Jan F. wird die intellektuelle Verfettung des kulturellen Establishments gegeißelt, ein köstlicher Beitrag, zur Nachlese im SPON-Archiv absolut empfehlenswert.

Dass sich in unserem Staate mangels öffentlicher Finanzierung überhaupt so etwas wie ein kulturelles Establishment bilden konnte, ist an sich schon eine Glosse wert, dass dieses sich allerdings jetzt von der intellektuellen Rechten an den Rand gedrückt fühlt und diese in Debatten weitgehend ignoriert, sollte uns zu denken geben.

Dem dumpfen Populismus muss man sich als verantwortungsbewusster Mensch entgegen stellen, egal, von welcher Seite er auf leisen Sohlen einher schleicht. Da kommt es passend, dass auch unser hiesiges Künstlerkombinat Ant!form e.V. sich bereits seit einiger Zeit mit der Facebook-Initiative „Kunst gegen Populismus“ sehr erfolgreich gesellschaftlich positioniert. Der Beschluss für diese Aktion fiel übrigens vor der Inauguration. Bis nächste Woche also, stören Sie wohl.

i-ern

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; spätestens wenn zwei Meinungen auseinander driften, ist es oft mit der gemeinsamen Kultur vorbei.

Eine der wenigen Differenzen, die mich mit dem Herausgeber dieser Postille in neckischer Hassliebe verbindet, ist unser Hauptkommunikationsmittel. Während meinereiner sich mit einer uralten Android-Kiste allerbilligster Kajüte zufrieden gibt, dessen Display seit gefühlten 2 Jahren durch ein schnödes Spiderman-Design geprägt wird, ist Helmut B. stolzer Besitzer eines sogenannten I-Phones.

Und während ich mit meiner Antiquität lediglich telefoniere, smse und fotografiere, kann dieses hippe Wunderding schlichtweg alles. Wenn man sich den Wirbel so besieht, der um die angesagten Geräte mit dem angebissenen Apfel gemacht wird, könnte man denken, es handele sich um die Zauberstäbe von Mr. Ollivander. Geschäftssinn hat er ja, der gute, alte Tim C. aus Cupertino.

Mittlerweile beackert der kalifornische Gigant ja nicht nur den Handymarkt, sondern produziert jede Menge Lifestyleschrott, um auch noch mit der nutzlosesten Neuerung der zahlungswilligen Fanbase das Geld aus dem Portemonnaie zu leiern.

Barbies Freund bekommt bald ein I-Ken, der mondäne Strandbesucher benutzt einen I-Meer (aua) und die Werbekampagne wird von der firmeninternen Taskforce I-Vice gelenkt. Apropos, zu Ostern gibt‘s frische I-R, garantiert. Bis nächste Woche also, i-ern Sie wohl.

Schlüsselszene

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; spätestens jetzt an Aschermittwoch ist also auch die Karnevalskultur dieser Session in die wohlverdiente Sommerpause gegangen.

Durch den vorgezogenen Redaktionsschluss der HWZ komme ich denn doch nicht darum herum, mich nochmal auf die derzeitigen Ereignisse zu beziehen. Ich, der gebürtige Ruhrpottler, bekenne, Karneval im 7gebirge war toll! In den gesamten 20 Jahren meiner Residenz habe ich noch keine so entspannten Tage erlebt.

Die Schlüsselszene für mich spielte sich am Sonntag während des Honnefer Zochs ab: Wo alle Welt über Flüchtlingshilfe redet, helfen uns die hiesigen Flüchtlinge in verschiedensten Hilfsorganisationen. Die vorbildliche Arbeit der ortsansässigen Abteilungen des Roten Kreuzes und der Malteser zieht augenscheinliche Früchte.

Unsere Neubürger mit Migrationshintergrund in den leuchtend orangenen Jacken waren ein starkes Zeichen gelungener Integrationskultur. Leider habe ich es nicht mehr in unsere nördliche Nachbarkommune geschafft, dort soll ja auch ein feierfestes Völkchen hausen. Unsere Illustratorin hat allerdings von Bonn aus mit dem Fernrohr mal auf den Drachenfels geschielt. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Karneval

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; deshalb sollte an dieser Stelle passend zur närrischen Zeit eigentlich eine Alternative Büttenrede stehen, die leider etwas länger als gewohnt war.

Nachdem ich die drohende „Zensur“ des Herausgebers noch mit geschmeidigen Worten umgehen konnte, scheiterte es aber letztendlich doch am Veto des Layouters, der schlichtweg keinen Platz mehr frei hatte. Ergo hab ich mich aus Zeitnot nochmal mit meinem letztjährigen Karnevalsgeflüster beschäftigt, in dem ich leichtsinnig die Frage nach der Kultur des Karnevals stellte.

Mittlerweile gehöre ich allerdings auch in dieser Beziehung zu den gemäßigten Gönnern, getreu dem rheinischen Motto: „Jedem Tierchen sein Glas Bierchen“. Wie bei allen Dingen kommt es halt hier auch auf das Maß an. Karnevalsvereine, die ganzjährig das Brauchtum pflegen und ein hohes Maß an gesellschaftlicher und karikativer Verantwortung tragen, haben sich meine ausdrückliche Hochachtung verdient.

Auch meine karnevalistischen Aktivitäten haben sich mittlerweile vom 2-stündigen Zugbejubler am Sonntag auf den Besuch des Rhöndorfer Hotspots an Weiberfastnacht im Weingut Broel ausgedehnt. Von dort aus kann ich mich auch Geld sparend mit der Sackkarre um die Ecke nach Hause schieben lassen. Bis gleich also, hören Sie wohl.

Susanne und die heiligen Kühe

Illustrationen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Illustrationen sind entbehrlich; so zumindest dachte bis vor kurzem der Herausgeber dieser Postille. Fotos, Werbung, Logos, alles kein Problem. Aber eine Illustration, ein Cartoon, eine Karikatur oder Ähnliches, mit dem sich gewisse Dinge charmanter ausdrücken lassen als über eine reine Aneinanderreihung von Wortungetümen? Bislang Fehlanzeige.

Dieses Manko ist ab sofort Vergangenheit. Wir dürfen Susanne Klabunde aus Bonn herzlich im Redaktionsteam der HWZ begrüßen, Sie wird zukünftig die Kolumne Kulturgeflüster exklusiv mit ihrem feinen Pinselstrich begleiten. Es soll ausdrücklich erwähnt werden, dass Karikatur und Kolumne inhaltlich voneinander abweichen können. Susanne hat ihren eigenen, kreativen Kopf und ist während jahrelanger, persönlicher Kontakte und der vielfältigen Besuche im 7gebirge schon auf die ein oder andere unserer Heiligen Kühe gestoßen, die redaktionell zu schlachten uns bislang unsere Erziehung sowie diverse Sachzwänge verboten.

Susanne Klabunde, gelernte Gestaltungstechnische Assistentin für Werbegrafik und Objektdesign, ist autodidaktische Künstlerin und Illustratorin. Nach Aufträgen vorwiegend aus dem Bereich Werbegrafik sowie freien Künstlerarbeiten ist die Illustrierung des 2015 erschienenen Buches „Manu und Sam“ von Marion Esser ihre erste größere Zusammenarbeit mit einer Kinderbuchautorin. Weiterhin organisiert sie schon seit Jahren in regelmäßigen Abständen den beliebten Spaß-Kunst-Künstler-Brunch im Bonner Kult41, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Nachwuchs- und Teilzeitkünstler verschiedenster Couleur. Aber lassen wir sie selber zu Wort kommen:

„Ich liebe Tee, Bücher und Regentage, Populärwissenschaft, Science Fiction und Fantasy, Festivals und den Klang der Stille, Sterne gucken und Pizzapopcornkinoabende. Am liebsten versenke ich mich den ganzen Tag mit Stift und Maus in grafischen Details, bis auch der letzte Strich perfekt sitzt und sich am Ende das Ganze harmonisch zusammenfügt; bunt, vielleicht objektiv unvollkommen, mit kleinen Macken, Ecken und Kanten, aber trotzdem genau richtig.

Mit meinen begrenzten Mitteln möchte ich die Welt um mich herum ein kleines bisschen schöner gestalten. Und wenn ich meinen Kunden damit auch eine Freude machen kann – na, besser geht’s doch gar nicht :)“

Dem wäre nur noch hinzuzufügen, dass Susanne Klabunde selbstverständlich auch gerne Auftragsarbeiten der HWZ-Leser/-innen entgegennimmt, sofern es ihr eng getakteter Zeitplan erlaubt. Wer mehr von ihr entdecken möchte, der sei auf ihre beiden Webseiten verwiesen:
http://susanneklabunde.blogspot.de und https://www.doodle-icious.de.                                                    Helge Kirscht

Kulturfahne

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; und weil das so ist (zumindest in den öffentlichen Haushalten), schließen sich mittlerweile immer mehr Aktive verschiedenster Kunstformen zusammen und höhlen gemeinsam von innen den Untergrund der Hochkultur aus.

Dass dieses Prinzip sich auch bei uns herum gesprochen hat, habe ich ja in vergangenen Kulturgeflüstern bereits beleuchtet. Die hiesige Szene formiert sich. Diese Woche allerdings wurde der Durchstich unterm Rhein vollzogen und die Mineure beider Seiten fielen sich lachend in die Arme.

So besteht nun eine inoffizielle Partnerschaft zwischen der hiesigen, seit langem umtriebigen Künstlergruppe ant!form e.V. und der seit 2015 aktiven Bonner Kunstbrennerei e.V., die ihr Hauptquartier in einem alten Handwerksgelände an der Kölnstraße hat.

Und wo wir ihren festen Stammsitz bewundern, wo doch ant!form bislang durch verschiedenste Räume mäanderte (bald auch wieder in Bad Honnef), beneiden sie uns um unsere schönen Locations und unseren Rückhalt in Politik, Gastronomie, Handel und Gesellschaft. Die persönliche Chemie jedenfalls stimmte auf Anhieb und so freuen wir uns schon bald auf einen regen Austausch mit den Linksrheinern. Wir werden die Kulturfahne des 7gebirges in der Bundesstadt würdig vertreten. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.