Tanz der Lichter

Ein helles Flackern an der Wand, lässt sie mitten in der Nacht wach werden. Das Flackern kommt von draußen, dringt durch das Fenster und strahlt an die Wand. „Schon wieder Geisterstunde? “, denkt sie und steigt wie ferngesteuert aus dem Bett. Sie zieht eine Jacke über das Nachthemd, schlüpft barfuß in die Gummistiefel, die immer an der Tür bereit stehen. Dann verlässt sie das Haus, um die Geister zu begrüßen.

Ein Blick hoch zum Himmel: Ja! Dort tanzen sie: Weiße Dämonen. Zaghaft lodernde, lila Flammen. Grüne Flaschengeister – endlich frei – schweben über die Bergkuppe hinab ins Tal. Egal, wohin sie ihren Blick wendet, tauchen immer wieder neue Geistergestalten auf. Da ist ein Sandsturm, der ihr entgegenwallt. Und sich dann in einen Zeitlupe-Nieselregen verwandelt. Der vermeintliche Regenvorhang wabert auf und ab – hin und her.

Gespenstisch. An anderer Stelle hat wohl ein wahnsinnig gewordener Maler seine Zeichen in den Himmel gekratzt. Mit seiner Hand hinterließ er fünfspurige Striemen. Plötzlich sind sie aber verschwunden. Wie von Geisterhand verwischt. Jetzt wölbt sich ein weißer, reiner Bogen – ein farbloser Regenbogen –  von westlichem zu östlichem Horizont. Auch er entwickelt sich zu einem zärtlichen Regenvorhang – bewegt sich langsam auf und ab. Inzwischen fröstelt sie in ihrem Nachthemd unter der Jacke und mit den nackten Füßen in den Gummistiefeln.

Dennoch möchte sie dieses nächtliche Fest nicht verlassen. Sie fühlt sich unendlich frei in diesem Moment. Andererseits verbunden. Eine Verwandte der Nacht, der Lichter und der Geister. Erst als Wolken heimlich über den Himmel kriechen und den Glanz verschlingen, kann sie sich abwenden. Sie kehrt ins Haus zurück und kuschelt sich wieder ins Bett. In ihren Träumen tanzt sie nun weiter mit den Lichtern. Franziska Lachnit (2018)

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