Baustelle

„Mama! Babba!“ – Babba soll heißen Bagger. Der kleine Mann steht an der Wohnungstür und drängt Mama, wieder mit ihm zur Baustelle zu spazieren. Zum dritten Mal heute. Keine Chance für Mama, diesem Drängen zu entkommen. Also schnappt sie den Kleinen und packt ihn in den Kinderwagen.

Die Straße bergan und dann links – dort ist die begehrte Baustelle. Zwei große Bagger, zwei LKWs, Minibagger und Radlader sind in Aktion. Die beiden großen Bagger stehen sich gegenüber, zwischen ihnen ein tiefer Graben. Mit Präzision und geschmeidigen Bewegungen löffelt der eine Bagger Erdreich aus dem Graben heraus, während der andere Bagger Sand hineinfüllt.

Dort, wo ausgelöffelt wird, müssen die Grabenwände mittels Verbauten gesichert werden. Diese riesigen, eisernen Wände baumeln an einer grobgliedrigen Kette vom Baggerarm herab und werden in den Graben gesteuert. Mit seinem Löffel und gezielter hydraulischer Kraft drückt der Bagger den Verbau fest.  Nun können alte Rohre entfernt und die neue Kanalisation installiert werden.

Ist das erledigt, löffelt der Bagger diesen Teil des Grabens wieder zu und entfernt hievend die Verbauten. Gleichzeitig fahren LKWs den Abraum weg beziehungsweise schaffen auf der anderen Seite Füllmaterial heran. Das alles ist eine wunderbare Choreographie. Für den kleinen Mann spannender als die Sesamstraße!

Für Mama der Einblick in eine neue Welt und der Beginn einer Leidenschaft. Inzwischen sitzt der Jung‘ nicht mehr im Kinderwagen, sondern bald als Fahrschüler am Steuer eines PKWs. Für Babba beziehungsweise Bagger hat er kein Auge mehr. Aber die Mama bleibt immer noch an jeder Baustelle stehen, schaut versonnen in die Ausschachtung und beobachtet verträumt den Tanz der Bagger. Franziska Lachnit (2018)

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