Corona-Tagebuch – Lockdown II, Woche V

Diese Woche gestaltete sich unspektakulär. Alltagskram, der leider nicht „Corona bedingt“ verschoben oder abgesagt werden konnte und unbedingt erledigt sein wollte. Aber eine kleine Anekdote habe ich dennoch erlebt: Schlange stehen in der Fußgängerzone. Ich schaue gelangweilt die Gasse rauf und runter. Und ab und zu versuche ich, die verbleibende Wartezeit durch einen Blick in den Laden abzuschätzen. Hände und Füße beginnen zu frösteln. Ich trete also hibbelig von einem Fuß auf den anderen und stopfe die Hände tief in die Jackentaschen. Mein Blick fällt auf einen älteren Herrn, der sich von links nähert. Etwas an ihm stimmt nicht. Eine ältere Dame, fein gekleidet in einen leopardenfellartigen Mantel, schiebt ihren Rollator vor sich her und steuert dem Mann entgegen. Beide setzen zu einem Gruß an. „Leck mich am Arsch!“, ruft der Herr. „Wer soll DAS denn tun?“, erwidert die Dame freundlich. Er macht prompt kehrt, und geht neben ihr in die Richtung, aus der er gekommen ist. „Ach, das war’s!“ Ich klatsche mir innerlich mit der Hand an die Stirn: „Er hat seine Maske vergessen.“ Einige Minuten später kehrt er zurück. Jetzt stimmt alles mit ihm! Soweit ich das sehen kann. Im nächsten Augenblick ist endlich meine Wartezeit vor dem Laden beendet. Fazit: Halte Abstand UND Augen und Ohren offen! Es lohnt sich. Ein paar Tage später steht der 1. Advent vor der Tür. Drei weitere werden folgen. „Was machen wir bloß?“, grüble ich verzweifelt. Aber vorweihnachtliche Stimmung hat mich gepackt und so entwickele ich einen Plan: Wir sind vier Familienmitglieder. Passt! Also darf sich jeder einen Adventssonntag schnappen und für die Familie gestalten. Die Idee wird dankbar angenommen. Zu allererst backen wir Plätzchen. Eine Riesenaktion! Mit großem Genuss! Für Advent Nr. 2 wurde eine längst fällige Kaffee- (sprich Glühwein!) Einladung ausgesprochen. Es läuft! Franziska Lachnit (Dezember 2020)

Corona Tagebuch – Lockdown II, Woche IV

Beinahe jeden Tag spaziere ich ins Städtchen. Es tut gut, hinauszugehen, die kühle Luft zu atmen, den Blick nach links und rechts zu wenden und sich strammen Schrittes irgendwelchen Zielen zu nähern. Meine Ziele sind in der Regel Buchhandlung, Genießerpfade, gelegentlich Post und Apotheke. Und oft Kodi. Dort gibt’s fast alles, was das Alltagsherz begehrt! Jetzt in der Vorweihnachtszeit finde ich hier endlosen Kerzennachschub. Sehr wichtig für die häusliche Gemütlichkeit! Doch vor ein paar Tagen passierte das, was irgendwann passieren musste: Alle Kunden schlängeln sich gemäß der Markierungen in gebührendem Abstand vor der Kasse. Ich habe soeben bezahlt und packe meine Beute ein, da steht – quasi wie herbeigezaubert – K. direkt neben mir. Jeder hätte ihn sogar mit Maske erkannt, aber diese trug er nicht. „Habe ich vergessen“, gibt er verschämt zu, als die Kassiererin ihn fragt. Niemand wird K. gegenüber unwirsch oder gar böse. „Dann ziehen Sie bitte ihren Pullover über Mund und Nase!“, fordert ihn die freundliche Angestellte auf. Ich finde, das ist ein netter Zug von ihr! Selbst ergreife ich schnellstmöglich die Flucht. „Zum Glück hat K. mich nicht erkannt!“, denke ich spontan. Andernfalls wäre er mir noch mehr auf die Pelle gerückt. Das mag ich eh nicht, lasse es aber hin und wieder geschehen. Nur bitte nicht jetzt! – Ein paar Tage später: Termin der Tochter beim Arzt in Bonn-Poppelsdorf. Als Begleitperson soll ich draußen auf dem Freiluftgang warten. OK. Es stellt sich heraus, dass dieser Warteplatz nicht der schlechteste ist: Direkt gegenüber spielt ein Mann am offenen Fenster Gitarre. Die Klänge entführen mich in mediterrane Gefilde. Sanft und dennoch lebhaft. Ich lasse mich darauf ein. Ich schaffe es, das herbstliche Bild, das sich vor meinen Augen darbietet mit romantischer Urlaubsstimmung zu verkoppeln. Ein wohltuender, kleiner Ausflug. Franziska Lachnit (November 2020)

Corona-Tagebuch – Lockdown II, Woche III

Ich bin übellaunig an diesem nebeligen Herbstmorgen. Weder die ersehnte Tasse Tee noch ein paar Schlucke Kaffee helfen mir aus diesem Tief. Erst als sich die Sonne einen Weg durch die Wolkenschwaden bahnt, lebe ich gemächlich auf. Es gibt einiges in der Stadt zu erledigen. Also mache ich mich auf den Weg. Trostlos gähnt mir dort eine leere Fußgängerzone entgegen. Die Passanten kann ich an einer Hand abzählen. Am unteren Marktplatz sind es immerhin neun Personen, die mir begegnen. Ein trauriges Bild. Um mich selbst nicht wieder dieser Stimmung hinzugeben, gehe ich in die Offensive und betrete kurzentschlossen eine Boutique. Eine kühne Handlung für mich! Bin ich doch eher ein Liebhaber von Buchläden und Baumärkten. Zugegeben: Shoppen mit Maske ist nicht gerade sexy. Und wenn man auch noch die Leserille aufsetzen muss, um die Preisetiketten entziffern zu können, gestaltet sich das vermeintliche Vergnügen zu einer lästigen Angelegenheit. Aber dann komme ich in einen außergewöhnlich komfortablen Genuss: Als einziger Kundin in diesem Moment gebührt mir die volle Aufmerksamkeit der Verkäuferin. Nett ist es auch in anderen Geschäften, denn jeder hat Zeit, und so verstrickt man sich in den einen oder anderen Plausch. Schließlich kehre ich mit leichtem Herzen und schwerer Einkaufstasche zurück nach Hause. Unterwegs treffe ich den Herrn Nachbarn. „Lange nicht gesehen!“, begrüßt er mich freundlich. „Jaja. So ist das in diesen Zeiten …“, beginne ich zu schwadronieren. Wir palavern über dies und das, während er eigentlich das Auto holen wollte … Schließlich tritt seine Frau aus der Tür: „Wo ist deine Maske?“, fragt sie streng. „Die habe ich vergessen!“, gibt er zu. „Och, Heinz! Du gehst mir langsam auf den Keks! Immer vergisst du deine Maske!“. Schnell verabschiede ich mich, zücke selbst wieder meine Maske und verstecke ein breites Grinsen dahinter. Franziska Lachnit (November 2020)

Lockdown II, Woche II

An Lockdown I hat mir gut gefallen, dass meine Familie stets da war. Dass wir so viel Zeit miteinander verbrachten. Bei dem sommerlichen Wetter, das uns das Frühjahr bescherte, saßen wir an der frischen Luft und spielten ununterbrochen Gesellschaftsspiele. Jetzt, bei Lockdown II muss ich leider gestehen, dass mir das familiäre Getummel manches Mal zu viel ist. Es schallt ein permanenter Geräuschpegel aus Radio, Stereoanlage, Mobilphone oder TV. Sind diese Geräte mal still, wird geplappert. Nur selten ist man allein zu Hause und hat seine Ruhe. Wie sieht das bei Familien mit kleinen Kindern aus? Über diese Frage möchte ich nicht weiter nachdenken! Dennoch fallen mir Erlebnisse ein, die mich in dieser Woche erfreut haben und nun angenehm nachklingen: Eines Abends saßen wir zu fünft am Esstisch, der – statt mit Leckereien – mit Pergament- und Transparentpapier, Fotokarton, Scheren und Klebestiften bedeckt war. Inspiriert durch unser kleines Nachbarsmädchen wollten wir Laternen basteln. Die Kleine hatte uns selbst bemalte Papiertüten geschenkt, die wir beleuchtet in die Fenster stellen sollten. Um zur Martinszeit wenigstens etwas Licht leuchten zu lassen, wenn schon kein Laternenzug durch die Straßen wandern darf. Mit Eifer und Spaß waren wir am Werk. Und Erinnerungen tauchten auf: Früher nahm ich mir Urlaub, um beim Laternebasteln in Kindergarten und Schule dabei zu sein … Zurück ins Jetzt: Ich lese Zeitung, als mein Sohn aufkreuzt (Kann man denn nie seine Ruhe haben?) und fragt: „Mama, hörst du die Gänse?“ Ich höre nichts. Wir öffnen die Tür zur Terrasse und da: lautes Schnattern. Direkt über uns. Ein riesiger Gänseschwarm will dem nordischen Winter entfliehen. Allerdings kreiseln die Vögel wie orientierungslos über unseren Köpfen. Es dauert eine Weile, bis wir erkennen, dass sie sich lediglich in die Höhe schrauben, um dann gen Süden zu ziehen. Wir schauen ihnen wehmütig hinterher … Völlig hingerissen beobachten wir dann ein, zwei, drei weitere Gänse-Formationen, die sich verabschieden. Wir winken und freuen uns auf ihre Rückkehr! – Und hoffen gleichzeitig auch auf die Rückkehr einer Zeit, die nicht mehr von Corona bestimmt wird. Franziska Lachnit (November 2020)

Mein Corona-Tagebuch

von Franziska Lachnit

Lockdown II, Woche I – Letzte Woche habe ich mit Yoga begonnen. Ich hatte mir davon versprochen, einen Weg zu Konzentration auf mein Inneres sowie zu einem Zustand von Entspannung und Ausgeglichenheit zu finden. Bereits der erste Besuch in der Yoga-Schule war eine wunderbare Erfahrung. Jetzt wollte ich richtig durchstarten! „Pustekuchen!“ – Ein paar Tage später wurde der sogenannte Lockdown-light verkündet. Alles, was Spaß macht, muss schließen. Den Weg zu Ausgeglichenheit und Entspannung kann ich vorläufig in Eigenregie ertasten. Das frustriert mich. Ein Plausch im Café oder ein bierseliges Kneipengespräch wären nun willkommen. Aber nein! Das geht ja auch nicht. Ich bleibe also brav zu Hause. Hier muss ich allerdings gar nicht lange grübeln, wie ich die folgenden Tage und Wochen füllen kann: Abgesehen von zahlreichen Haushaltspflichten (Die Fenster schreien „Putz uns!“.), warten einige Bücher: „Lies mich!“, rufen sie. Meine Tochter und ich schmieden den Plan, alle zwei Tage einen Film via Netflix, Amazon-Prime oder Blu-Ray zu schauen. Obwohl ich eigentlich im Kino „Cortex“ sehen wollte. Seufz! Hoffentlich klappt das dann im Dezember! Oder Januar? Zur Freude meiner Familie werfe ich wieder mal ein paar Blicke in Kochbücher, um dann beim Markt um die Ecke die Zutaten fürs Abendessen zu holen. Aber das ein oder andere „Ausgehmanöver“ mit meinem Mann wäre auch verlockend: Mittags Zweisamkeit am Rheinufer in spätherbstlicher Kulisse oder abends jugendliches Flair bei Burgern und Cocktails …Ich spüre Sehnsucht. Und hoffe inständig, dass bald alles wieder gut wird. In der Zwischenzeit rudere ich mal uferlos, mal zielstrebig durch diese – einerseits neue und andererseits schon dagewesene – Art von Alltag. Franziska Lachnit (November 2020)