Das verlorene Paradies

Bei den ersten warmen Sonnenstrahlen greife ich mein Notizbuch und vielleicht auch noch einen Roman von Paul Auster oder einen Erzählband von Alice Munro. Dann laufe ich schnellen Schrittes zum Rhein und auf die Insel. Ich freue mich auf ein ruhiges Plätzchen unter dem frisch sprießenden, hellgrünen Blätterdach. Und auf das erste Weizenbier dieses Frühjahrs. Mein Weg führt am ehemaligen Kaiser’s vorbei – immer noch leer.

Ich laufe die Bahnhofstraße entlang, wo wieder ein paar Bagger meinen Blick auf sich ziehen. Ich verharre für einen Augenblick, um die Baustelle genauer zu betrachten. In der Austraße freue ich mich über die neu gepflanzten Bäumchen, deren Vorgänger im letzten Jahr schmerzvoll den Bauarbeiten weichen mussten. Alexander-von-Humboldt-Straße, dann noch die Brücke über die B42. Endspurt über die alte Rheinbrücke auf die Insel … Schock: Wo ist der Biergarten? – Das Hochwasser kann ihn nicht verschluckt haben.

Es gab in diesem Jahr kein Hochwasser! Der „König von Bad Honnef“ ist also tatsächlich ins Exil auf den Drachenfels gezogen. Wer übernimmt aber nun die Regentschaft auf der Insel? Für mich bricht ein Mikrokosmos zusammen. Mein Paradies für Inspiration, Wohlfühlen und letztendlich das Freiluftbier ist verloren gegangen. Ich bleibe ratlos auf dem Kies stehen, auf dem noch vor ein paar Monaten Stühle und Tische standen.

Im November noch, weil das Wetter so toll war! Besetzt von Familien, Rentnern und Geschäftsleuten. Kinder sammelten Steinchen. Radfahrer legten hier eine Tour-Pause ein. Und Pärchen schauten versonnen und Händchen haltend dem Fließen des Rheins zu. Und nun? – Leere. Ich gehe sehr langsam. Schlendere traurig am Ufer entlang. Mein Hirn zermartert sich bei der Suche nach einer Alternative. Mein Herz hängt der Romantik vergangener Tage nach … die Insel … wir haben sie verloren. Franziska Lachnit (2019)

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