Dummes Huhn

Geschichte vom Land oder Freiheit ist relativ

„Du dummes Huhn“ dachte ich, als ich aus dem Fenster auf der Rückseite des Hauses schaute und das Huhn entdeckte. Das Huhn war irgendwie aus dem Hühnergehege herausgekommen und stand nun alleine auf der einen Seite des Zauns, während alle anderen Hühner auf der anderen Seite unbeeindruckt und gesellig im Boden pickten. Das entwischte Huhn sah verzweifelt aus. Es lief hin und her am Zaun entlang und immer mit sehnsüchtigem Blick auf die anderen Hühner jenseits des Zauns.

Wie dumm muss das Huhn sein, dass es ein Schlupfloch in die Freiheit fand; nun aber nicht mehr weiß, wo dieses Loch ist? Und vor allem: Wie dumm muss es sein, um seine Freiheit nicht zu erkennen? Freiheit ist also relativ, sinnierte ich. Allerdings gab ich es auf, das arme Tier weiter zu beobachten; zumal mir zunächst auch nicht einfiel, wie ich hätte helfen können. Das Huhn wäre ja vor mir davon gelaufen und dabei auch nicht in den Stall gelangt!

Am nächsten Tag dann dasselbe Spiel. Das Huhn läuft wie ein durch Hospitalismus geschädigtes Zootier am Zaun entlang – auf und ab … immer wieder … „Jetzt muss ich aber doch irgendetwas machen!“ ermahne ich mich. Und verlasse das Haus. Langsam schleiche ich mich an das Huhn heran, ohne eigentlich zu wissen, was das bringen soll und was ich tun kann, um zu helfen … Dem Huhn steht natürlich sofort die Panik in den Augen.

Gestresst sucht es einen Ausweg – einen Fluchtweg vor der Gefahr Mensch. Von Angst und in die Enge getrieben flattert es plötzlich hoch, landet auf dem Tor zum Stall, und flattert dann auf der anderen Seite des Zauns hinunter. „Du kannst ja fliegen! – Du dummes Huhn!“ rufe ich kopfschüttelnd, aber erleichtert aus. Franziska Lachnit (2016)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert