Franco ist tot

Gianfranco Soravia ((l.) auf dem Foto mit seinem Geschäftspartner Abdel Mohsen), ist gestern gestorben. Ein ausführlicher Bericht über den „Pionier der Bad Honnefer Gastronomie“ lesen Sie unten. Nur soviel vorab: Ein Termin für die Beerdigung steht noch nicht fest. Er wird an dieser Stelle bekannt gegeben. Das Restaurant wird nahtlos weiter geführt. bö

Der Mann aus den Dolomiten

Adenauer war nie bei mir, schmunzelt er, „aber ich war bei ihm“. Irgendwann schnappt er sich die frischen Blumen vom befreundeten Blumenhändler, der regelmäßig das Haus des Alten beliefert und stiefelt selbst hoch, um die Blumen abzugeben. Der junge Mann hat Glück. Adenauer öffnete höchstpersönlich die Tür und fragt: „Watt willste hier, Jung“. „Die Blumen abgeben“. „Dann donn dat“. Adenauer war nie bei ihm, dafür war sein „Enkel“ Helmut Kohl quasi Stammgast bei Gianfranco Soravia. Künstlername: Franco. 

Aber zurück ins Jahr 1961! Ein Russe fliegt zum Mond, Kennedy wird Präsident der USA, die Berliner Mauer wird endgültig hochgezogen und Deutschland freut sich auf italienisches Eis, auf Pizza und südländische Lebensfreude. „1959 bin ich nach Saarbrücken gekommen, um meinem Onkel in der Eisdiele zu helfen. Danach war ich wieder zurück in der Heimat. 1961 fragte mich ein Freund, ob ich nicht Lust hätte, mit nach Bad Honnef zu kommen“. Er hatte Lust. Das Ziel heißt „Capri“. Eine Eisdiele, die er 1963 erwarb, in der Hauptstraße, dort wo heute die Commerzbank beheimatet ist. Vier Jahre später eröffnet er das Eiscafé Belluno in der heutigen Fußgängerzone. Benannt nach seiner Heimatstadt. Erfolg beflügelt. Das Eis-und Pizza-Imperium wächst. 1971 eröffnet der Mann aus den Dolomiten eine Eisdiele in Königswinter, 1982 kommt ein Restaurant in Linz dazu. Zuvor eröffnete er 1976 im heutigen „La Bruschetta“ eine Pizzeria. Die erste Pizzeria in der Region mit einem Lieferservice. „Ab 15 DM frei Haus“. 

Vorspiel! 1978 bejubelt nicht nur die regionale Presse „ein Mekka für Feinschmecker in Bad Honnef“. Der damalige Bürgermeister Franz Josef Kayser scherzt.: „Von nun an werden täglich die Spezialitäten eingeflogen. Hummer aus Paris und Erdbeeren aus Selhof“. Nach einem „äußerst gelungenen Umbau“ entsteht das Hotel-Ristorante Franco im ehemaligen Posthof am Marktplatz, heute Restaurant Markt3. Der ganz normale Aufstieg: Eis-Pizza-Hummer! Auf einen Schlag wird Bad Honnef zum Ziel aller Gourmets aus der gesamten Region. Das politische Bonn geht ein und aus. Francos Restaurant hinter der Fachwerkfassade wird zum beliebtesten Gourmettempel im Bonner Umland gewählt. Gault Milau zählt es zu den besten Restaurants Deutschlands. Bundeskanzler Helmut Kohl schickt persönliche Grüße, Michael Schumacher oder Paloma Picasso lassen sich verwöhnen. Franco und sein Team schrecken vor keiner noch so verrückten Idee zurück. Beispiel: Ein Zehn-Gang- Menu rückwärts. Zuerst werden leere Gläser und volle Aschenbecher serviert. Dann das Dessert. Und so weiter. 

Marco Rochon heißt der erste Küchenchef. Einer, der zuvor in Paris und Monte Carlo gekocht hat. Die Gäste kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. In einer Zeit in der das urdeutsche Schnitzel in mannigfaltigen Variationen Hochkonjunktur hat, finden sie auf ihren dekorierten Tellern Salm aus Norwegen, Scampis aus Frankreich oder Seeteufel aus Italien vor. Und: Ein Restauranttester schreibt begeistert nieder, dass vor dem eigentlichen Essen „frisches, knackiges Brot mit gesalzener Butter auf den Tisch kommt“. 

Auch außerhalb seines Restaurants gibt Franco Vollgas. Er gründet eine italienische Fußballmannschaft in Königswinter, er sitzt im Elferrat der KG Große Königswinterer, er wird Senator der KG Ziepches Jecke, er lässt Sänger aus den Dolomiten einfliegen, oder er versteigert einen Helm von Michael Schumacher für einen guten Zweck. Sein Restaurant ziert den Sessionsorden der KG Halt Pol im Jahre 1984. Präsident Juppi Pütz sagt: „In diesem Haus wird auf wunderbare Art und Weise deutsch-italienische Freundschaft geschmiedet“. 

Halbzeit: 1986 feiert Franco sein 25stes Firmenjubiläum in Bad Honnef. Dazu lässt er den jüngsten Küchenchef Italiens einfliegen: Stefano de Filipe. Seine Spezialität: Seezungenfilet mit Sommertrüffel in einer zarten Limonencreme. Dem Jungkoch gefällt es so gut in Bad Honnef, dass er ein Jahr lang im Ristorante Franco bleibt. 

Erst das italienische Eis, dann die Pizzeria und dann die mediterrane Spitzenküche. Eine konsequente Weiterentwicklung eines Mannes, der 1961 aus Italien nach Bad Honnef kam, um in Bad Honnef, Linz und Königswinter der Gastronomie seinen Stempel aufzudrücken. Das gelang eindrücklich. 

In den 1980ger Jahren beschäftigte Franco Soravia 40 Mitarbeiter. Nach dem Verkauf seines Hauses am Markt3 schaltete er von Volldampf einige Gänge herab und eröffnete 1994 die Vinoteca La Bruschetta in der Hauptsraße 47, „ein Tempel italienischer Kulinarik“, wie der Kölner Stadtanzeiger damals zu berichten wusste. Die Bruschetta ist ein Appetitanreger, den der Italiener gerne noch vor der Vorspeise zu sich nimmt. Ursprünglich eine schlichte Angelegenheit: Weißbrot in Olivenöl geröstet mit Knoblauch eingerieben und mit Tomatenstückchen und Zwiebeln garniert. Dabei blieb es natürlich nicht. Soravia veredelte die krossen Häppchen mit Meeresfrüchten, Tunfisch oder Parmaschinken. 

Schon bald standen 20 unterschiedliche Bruschetta-Variationen auf der Karte. Kleine Küche zum leckeren Wein hieß seine Devise. Aber seine verwöhnten Gäste wollten mehr. Die Karte vergrößerte sich im Laufe der Zeit und so wurde aus der Vinoteca wieder ein Ristorante mit dem vollen Programm der mittel-und norditalienischen Küche. Frische Produkte, ohne viel Schnickschnack war und ist Soravias Credo. 2004 übernahm sein langjähriger Mitarbeiter Abdel Mohsen Mekawy das Restaurant, weil der Pionier wieder ein paar Gänge herunter schalten wollte. Das aber gelang, und gelingt ihm bis heute, nicht wirklich. Franco ist immer da und überall. Vielleicht liegt das an seiner erstaunlichen Leichtlebigkeit“, die ihm Victor Francke zum 40sten Jubiläum attestierte. Franco habe schnell die rheinische Lebensart verstanden und die Grundzüge des kölschen Klüngels begriffen: Beseitigung von Schwierigkeiten im Vorfeld anstehender Entscheidungen. Immerhin: Die Entscheidung 1961 eine Eisdiele in Bad Honnef zu eröffnen, war eine gute Entscheidung.                                   (Bericht aus dem Jahr 2010)

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