Friedhelm Ost: Von der Normalität weit entfernt.

Das AHA- Prinzip

Noch sind wir von der Normalität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weit entfernt: Nach wie vor hat Corona unser Land fest im Griff, auch wenn manche Lockerungsmaßnahmen dies bisweilen vergessen lassen. Das AHA-Prinzip gilt weiter: Abstand halten – Hygiene betreiben – Atemschutzmasken tragen. Die ökonomischen und sozialen Kollateralschäden dieser Pandemie sind bereits riesig. Niemand vermag sie derzeit exakt zu beziffern. Und Corona geht eben weiter; es droht gar eine zweite Welle – vor allem wenn Touristen aus Feriengebieten zurückkehren oder Erntehelfer aus Rumänien, Bulgarien usw. angeworben werden.

Bald 3 Millionen Arbeitslose

Viele Unternehmen konnten ihren Betrieb nur teilweise wiederaufnehmen, nicht wenige befinden sich nach wie vor im Stillstand. Die Umsätze und Gewinne zahlreicher Firmen sind tief eingebrochen, die finanziellen Rücklagen und das Eigenkapital stark geschmolzen. Mit Kurzarbeit wird eine wichtige Brücke genutzt, von der jedoch niemand weiß, wie lange sie tragen wird. Die Zahl der Arbeitslosen ist bereits gestiegen und droht, bald die Marke von 3 Millionen zu erreichen. Insgesamt wird Corona in diesem Jahr einen bitteren Rutsch nach unten beim Wachstum und Wohlstand bescheren.

Tiefer Einbruch in vielen Unternehmen

Und das, obwohl die Politik mit den verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen einen noch schärferen Absturz zu verhindern versucht. 90 % der Menschen in unserem Land bewerten die Arbeit der Bundesregierung als gut, über 80 % attestieren ihr eine ausreichende Stärke in dieser Krisenphase. Dennoch machen sich die meisten große Sorgen über die wirtschaftliche Entwicklung. Die aktuellen Nachrichten über die Probleme in den Firmen der Autoindustrie, im Maschinenbau, Einzelhandel und in vielen anderen Branchen beunruhigen die früher so starke Exportnation. Denn in nahezu allen anderen Ländern der Welt, die in der Zeit vor Corona für viele Milliarden deutsche Waren kauften, grassiert das Virus vielfach noch drastischer als hierzulande. Die jüngst auf dem EU-Gipfel beschlossenen Zuschüsse und Kredite, die vor allem unseren Nachbarstaaten zugute kommen sollen, könnten zur Stabilisierung unserer eigenen Wirtschaft beitragen – vor allem wenn diese Nothilfen schnell in Italien, Spanien, Portugal und anderen Ländern ankommen.

Besserung des Geschäftsklimas

Derzeit ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft wohl besser als die reale Lage. Der soeben veröffentlichte Ifo-Geschäftsklima-Index weist einen beachtlichen Anstieg um fast 5 % auf. Das ist ein Lichtblick im dunklen Tunnel. Immerhin sind die Erwartungen gespalten: Etwa die Hälfte der Deutschen erwartet, dass sich die Konjunktur aufwärts entwickeln wird; fast gleich viele befürchten, dass es abwärts gehen wird. So gespalten war die Stimmung noch nie zuvor, zeigt dies jedoch, dass wir von der Normalität noch weit entfernt sind. Allerdings haben wir alle in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft inzwischen viel gelernt, mit Corona umzugehen. Wir haben das Virus indessen noch nicht im Griff. Doch bei der Vermeidung und Eindämmung der Infektionsgefahr lernen wir immer mehr dazu. Die verpflichtenden Tests an den deutschen Flughäfen, an denen jetzt viele Touristen aus dem Ausland ankommen, sollten ein weiterer Schritt im Kampf gegen Ansteckungen sein. Auch das Management bei Corona-Infektionen an bestimmten hot spots – in Fleischfabriken, auf Gemüsefeldern und anderswo – ist mit der lokalen Eingrenzung durchaus erfolgreich.

Den zweiten Lockdown vermeiden!

Es muss nämlich alles nur Mögliche unternommen werden, um einen zweiten totalen Lockdown zu vermeiden. Die Konsequenzen des ersten sind bereits katastrophal und werden tiefe negative Spuren hinterlassen. Eine zweite Welle würde nicht nur die teuren Maßnahmen zur Linderung und Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Schäden fast zunichte machen, sondern zu einer kaum noch zu beherrschenden Krise führen. Ein wirksamer Impfstoff gegen das Corona-Virus wird wohl erst für alle Impfwilligen im Laufe des nächsten Jahres verfügbar sein. Bis dahin tragen alle Bürgerinnen und Bürger eine große Verantwortung – nicht nur für sich, sondern auch für ihre Mitmenschen. Lockerungen dürfen nicht zu Leichtsinn verführen. Die AHA-Vorschriften müssen von allen streng eingehalten werden. Auch die Nutzung der Corona-Warn App, bei der die technischen Probleme inzwischen behoben wurden, ist ganz wichtig. Denn sie hilft bei Infektionen, Kontakte von Personen umgehend zu verfolgen und so eine Ausbreitung zu verhindern. Einigermaßen beherrschbar für unser Gesundheitssystem ist es, wenn die Zahl der Neuinfektionen maximal bei 500 Fällen je 100.000 Einwohner liegt und nicht wie in den letzten Tagen bei 800 oder noch darüber. Die Corona-Tests an den Flughäfen und anderswo sind ein weiterer hilfreicher Schritt zur Eindämmung der Ausbreitung des unsichtbaren, aber lebensgefährlichen Virus. Das Licht im Tunnel kann nur heller werden, wenn wir alle uns an die bekannte Empfehlung halten: Vorbeugen ist allemal besser als heilen. fo.

Foto Archiv: Friedhelm Ost (l.) war Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl

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