Heimkehr

Ich steige aus dem Zug. Nach zehn Jahren kehre ich in meine Heimatstadt zurück. Nervosität, Neugier und ein wenig Unsicherheit begleiten mich. Beinahe hätte ich aber den Ausstieg aus dem Zug verpasst. Lediglich ein unlesbares Schild steht dort am brüchigen, verunkrauteten Bahnsteig. „Es hat sich also nichts verändert“ – denke ich.

Aber dann überrascht mich ein schlimmes Szenario: Auf dem Weg zu meinem Elternhaus, laufe ich durch die Straßen, die ich aus meiner Kindheit kenne. Jetzt erscheinen sie mir unsagbar fremd: Unbewohnte, zum Teil fensterlose Häuser mit schäbiger Fassade säumen die Straßen. Nur wenige Fußgänger begegnen mir.

Keiner kommt mir bekannt vor. Ich erreiche die Innenstadt: Was ist denn hier passiert? – Ungefähr jedes zweite Ladenlokal steht leer. Die noch existierenden Geschäfte – Damenbekleidungsboutiquen, Floristik, Geschenkartikel und Wohnaccessoires lauern vergeblich auf Kundschaft.  Ich habe Hunger. Wo bekomme ich ein paar Lebensmittel? – Ich habe Durst. Wo bekomme ich ein Bier? Ich gehe zum Marktplatz, um in einem der Gasthäuser einzukehren. – Alles geschlossen?! Ich begebe mich zur Kirche.

Vielleicht, um meinen letzten Rest Glauben zu retten … Aber auch hier ist das Tor geschlossen. Ich laufe mit langsamen Schritten zu meinem Elternhaus. Eine beunruhigende Befürchtung schleicht sich heran: Auch dieses Haus könnte geschlossen und leer sein – oder von Unkraut überwuchert – oder bereits in Trümmern liegen. Ein paar Minuten später stehe ich vor dem Elternhaus. Einem Haus mit vielen Geschichten. Es ist noch da! – ein wenig verwittert, aber mit Fenstern, Türen und Menschen.

Es hat standgehalten. Ich trete ein. Das Treppenhaus empfängt mich mit dem gewohnten Geruch. Ich steige Stufe um Stufe in die erste Etage. Dort erwartet mich lächelnd und mit offenen Armen meine Mutter. Heimkehr! Franziska Lachnit (2018)

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