Hymne auf den Singsang

Jeder kennt sie, die Diskussionen über deutsche Dialekte. „Also, ich finde Sächsisch am schlimmsten!“ – sagen die meisten. ICH finde das nicht. Meine Mutter kommt aus Sachsen. Jahrelang hat sie sich aus Scham ihren Dialekt abtrainiert. Dann hörte man es ihr normalerweise nicht mehr an. Aber jedes Mal, wenn sie mit meinen Großeltern telefonierte oder diese zu Besuch waren, verfiel sie zurück ins leichte Sächseln. Ich mochte das. Und die ein oder andere Vokabel gehört auch heute noch zu meinem Wortschatz: Bemme für Butterbrot. Lullern für Pipi machen. Schickse für Tussi. Ich find’s herrlich! Aber von allen Dialekten unserer Nation ist unser rheinischer Singsang doch der schönste. So meine Empfindung eben auf dem kurzen Heimweg von der Stadt nach Hause: Da standen zwei ältere bzw. schon recht betagte Damen auf dem Gehweg und unterhielten sich: Die Stimmen schwangen melodisch auf und ab – am Ende des Satzes immer hinauf in den Himmel oder sonst wohin in die Höhe. Wundervoll. Heimatlich. Aufgewachsen bin ich mit den Tönen der Bläck Fööss und einem Briefträger, dessen Platt vom Feinsten war – nur mein Vater konnte ihn verstehen, da sie gemeinsam die Volksschulbank gedrückt hatten. Durch die Pubertät ging ich mit den Texten von BAP, die ich regelmäßig meiner Cousine ins Hochdeutsche übersetzen musste. Genau diese Cousine war immer genervt, wenn ich ausrief „Do biss ja jeck!“. Einmal diente ich als Dolmetscher zwischen einem Niederbayern und einem Rheinländer – sehr witzig. Im Laufe der Jahre habe ich langsam, aber schließlich sehr deutlich gespürt, dass es mich mit (rheinem) Stolz erfüllt, wenn ich – wo auch immer – als Rheinländerin erkannt werde. Und niemals käme ich auf die Idee, meinen Singsang zu verstecken. Ich singe … eine Hymne auf unseren Dialekt! Franziska Lachnit (2017)

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