Oh, ein Bach!

Genau! Der Ohbach. Es war Winter, als ich ihn „entdeckte“. Außergewöhnlich kalt und schneereich. Der Bach wurde von Eis bedeckt und mit gefrorenen Wasserperlen geschmückt. An manchen Stellen sprudelte das quirlige Wasser durch die Eisdecke. Ein malerischer Anblick: Eis, Schnee und plätscherndes Wasser glitzerten um die Wette im winterlichen Sonnenschein. Inzwischen gehört der Ohbach zu den Selbstverständlichkeiten meines Lebens.

Jeden Tag folge ich ein Stückchen seinem Lauf. In diesem Sommer sah er sehr müde aus. Höchstens handbreithoch tröpfelte das Wasser bachabwärts. Die Steine wurden nur teilweise umspült oder lagen ganz im Trockenen. Dieses kümmerliche Rinnsal nutzten die Wildschweine als Pfad geradewegs aus dem Wald in den Ort. In heimlichen Attacken eroberten ganze Wildschweinfamilien des Nachts die umliegenden Grünflächen. Rechts und links unseres Bächleins versanken Gärten und Wegesränder im Chaos tiefer Furchen.

Der extrem trockene Sommer hatte den wilden Schweinen zugearbeitet, und der kleine Bach wurde zu ihrem Highway. Endlich begann es hin und wieder zu regnen. Nur gelegentlich und nur in kurzen, aber oft heftigen Gewittern. Futter für den Ohbach! Der Besuch aus dem Wald blieb nun aus. Stattdessen gab’s wieder genug Wasser für Fische. Ein paar Felchen … oder … ich weiß nicht was … tummelten sich fröhlich im klaren Nass. Dann kam Dauerregen.

All der Regen, der im Sommer nicht gefallen war, prasselte nun tagelang. Als sich schließlich die dunkelgrauen Wolken verziehen, wage ich mich aus dem Haus: Was rauscht denn so laut? – Mit mächtigen Wassermassen tost unser Bach. Kein Stein, kein Fisch ist zu sehen. Ein Wildschwein würde glatt ertrinken. Denn der Ohbach schlämmt jetzt alles, was er tragen kann, ins Tal hinab. – Bald schon steht der Winter wieder vor der Tür. Und welches Bild mag uns dann der Ohbach malen? Franziska Lachnit (2019)

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