Ohne Strom ist alles nichts

Keine Verbindung per Handy oder Telefon   Friedhelm Ost 

Die Flut in der Eifel, im Erftkreis, in Hagen und anderswo kam aus heiterem Himmel. Die großen Regengüsse verwandelten Bäche und kleine Flüsse in reißende Ströme. Die Katastrophe forderte mehr als 160 Menschenleben. Viele hundert Menschen wurden verletzt. Tausende verloren ihr Hab‘ und Gut, ihre Wohnungen fielen wie Kartenhäuser im reißenden Wasser. In den betroffenen Regionen gab und gibt es immer noch große Hilfsaktionen der verschiedenen Organisationen – vom Deutschen Roten Kreuz über die Polizei bis hin zur Bundeswehr. Riesig war insbesondere die solidarische Nachbarschaftshilfe.

Allerdings funktionierten in dieser Katastrophe vielfach die Kommunikationsmittel nicht: Weder das normale Telefon noch das Handy, nicht einmal die Alarmsirenen konnten benutzt werden. Ohne elektrischen Strom ging nichts! Die Steckdosen gaben einfach nichts mehr her; in den Gebäuden, in denen das Wasser oft genug bis zur zweiten Etage gestiegen war, herrscht Kurzschluss in den Elektroleitungen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Versorgung mit Elektrizität wiederhergestellt wird, bis die Kommunikationstechnologien wieder funktionieren werden, bis noch bessere Frühwarnsysteme genutzt werden können.

Ohne eine sichere Versorgung mit elektrischem Strom ist es außerordentlich schwer, eine Katastrophe wie wir sie gerade in deutschen Regionen erlitten haben, zu managen. Nicht wenige, die in diesen Tagen gewiss zu Recht noch mehr Umweltschutz anmahnen, lassen dabei doch vieles außer Acht. Denn der dringend notwendige Umbau unseres Landes, der bereits seit Jahrzehnten im Gange ist, ist nicht einfach auf die Schnelle zu machen. Aus der Steinkohle ist Deutschland bereits seit einiger Zeit ausgestiegen. Der Fahrplan zum Ende der Braunkohle, den die einstige rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen amtlich beschloss, wurde von der CDU-FDP-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Armin Laschet mit einem wesentlich höheren Tempo versehen. Die Kernkraftwerke die Deutschland verlässlich mit Grundlast-Strom versorgten, werden Ende 2022 vom Netz gehen. Nicht wenige Experten aus der Energiewirtschaft äußern die Sorge, dass es mit dem Strom für alle in den nächsten Jahren knapp werden könnte, wenn der Ausstieg aus der Braunkohle noch stärker forciert werden sollte. Auch Gaskraftwerke lassen sich nicht einfach für die Übergangsphase bis zur Versorgung nur noch mit grünem Strom aus dem Boden stampfen. Ohnehin halten sich potenzielle Investoren beim teuren Neubau zurück.

Zudem wird der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie hierzulande immer schwieriger. Gegen die Windmühlen an Land laufen inzwischen über 1.000 Bürgerinitiativen Sturm: Viele wollen die Rotoren nicht in ihrer Nähe, andere wollen die Vögel retten und wieder andere machen Front gegen den Ausbau der Onshore-Windenergie aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes. Mit ähnlichen Widerständen geht es zum Teil auch gegen die Erweiterung der Kapazitäten beim Offshore-Wind. Dabei ist klar, dass die Erzeugungsanlagen für Windstrom verdoppelt oder gar verdreifacht werden müssen. Auch muss die Solarenergie in ähnlichem Ausmaß ausgebaut werden. Zudem müssen neue starke Leitungen aus den windergiebigen Regionen in die stark bewohnten Gebiete und in die Industriezonen verlegt werden. Bislang geht auch das wegen des Bürgerwiderstandes nur sehr schleppend voran. Ebenso fehlt es an Speicherkapazitäten für den Wind- und Sonnenstrom, damit das Netz gleichmäßig zu jeder Tages- und Nachtzeit unter Spannung gehalten werden kann. Für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft müssten noch wesentlich größere Quellen des regenerativen Stroms angezapft werden.

Die EU-Kommission, die Bundesregierung und die Landesregierungen haben Klimaschutzpläne mit guten Zukunftsplänen, in denen konkrete Prozentzahlen für die CO2-Reduzierung bis zum Ziel der Klimaneutralität festgelegt wurden, beschlossen. Was gewiss wünschenswert ist, das wird sich gewiss nur schwer oder in dieser Dimension kaum realisieren lassen. Dennoch fordern vor allem grüne Protagonisten noch mehr an Stilllegungen bei fossilen Energieproduktionsanlagen, ein wesentlich höheres Tempo bei der Transformation der Wirtschaft und beim privaten Energieverbrauch. Sie bleiben indessen die Antworten schuldig, wie das alles technologisch machbar ist, wie das alles von wem finanziell geschultert werden soll und was aus den Beschäftigten werden soll, die dann auf der Strecke bleiben werden.

Natürlich könnte Deutschland die drohende Stromlücke mit Importen schließen. Wenn etwa die Braunkohle aus dem Rheinischen Revier schon sehr bald nicht mehr verstromt wird, bieten sich Strombezüge aus den recht unsicheren Kernkraftwerken im benachbarten Belgien an. An besorgte Bevölkerungskreise können dann Jodtabletten verteilt werden, wie es bereits in Aachen gemacht wurde. Die deutschen CO2-Emissionen machen nicht ganz 2 % der globalen CO2-Emissionen aus.

Klimaschutz ist nicht in nationalen Grenzen zu betreiben. Klimaneutralität ist eine globale Herausforderung, die nur gemeinsam mit den USA, China, Russland, der EU und vielen anderen Staaten gemeistert werden kann. Der Grenznutzen hoher Milliarden-Investitionen dafür ist ohnehin in zahlreichen Ländern wesentlich größer als bei uns. Deshalb sollte es eine stärkere globale Kooperation geben – vor allem mit Ländern wie Indien, Brasilien und anderen aus der Dritten Welt. Ein Nukleus dafür ist der Klima-Club, den soeben US-Präsident Biden und die Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbart haben. Das ist jedenfalls besser, als nun noch mehr auf die nationale Karte zu setzen und über Klima-Zölle zu spekulieren. Denn Deutschland kann nicht auf einer Insel der Glückseligkeit und Klimaneutralität leben; vielmehr sind wir politisch und wirtschaftlich von dem globalen Geschehen außerordentlich stark abhängig. Gegen die nächste Jahrhundertkatastrophe mit einer Sturmflut wie in den letzten Tagen an der Ahr oder Erft sollten wir mit einer ehrgeizigen Welt-Klimaschutzpolitik unseren marginalen Beitrag leisten. Ganz wichtig ist jedoch alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, damit in einem solchen Fall die Stromversorgung gesichert werden kann, um die Not-Kommunikation aufrecht zu erhalten.

Bildquelle: Pixabay, Bild von PIRO4D, Pixabay License

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