Sturmzeit in Island

Wir kommen derzeit nicht wirklich vor die Tür. Ein kleiner Trost an dieser Stelle: Die Erlebnisberichte von Franziska Lachnit über ihre Reisen rund um den Globus. Viel Spass dabei.

Über die Weihnachtsfeiertage schneite es, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Wir saßen am Fenster eines urgemütlichen und wohlig warmen Häuschens im Westen Islands. Wir waren hier, weil der Wunsch nach Polarlichtern größer war als die Sehnsucht nach Sonnenschein. Island hatte uns mit heftigem Wind sowie einem Wechselspiel aus dichtem Schneegestöber und tiefliegenden, blendenden Sonnenstrahlen empfangen. Eine Kurzfassung dessen, was uns in den nächsten Tagen bevorstand. Am Anfang war der Schnee. In Wehen türmte er sich vor uns auf und überdeckte ganz und gar die Landschaft, die uns umgab. Man fühlte sich wie unter einer dicken Daunendecke eingebettet. Dann kam der Sturm und mit ihm der Regen. Beides fegte die gesamte weiße Pracht innerhalb einer Nacht hinweg. Während dieser Nacht zerrte der Sturm am Haus, als wollte er es dem Boden entreißen, mitnehmen und über den Atlantik blasen. Das Haus hält stand. Am Tag nutzen wir die Gelegenheit der schneefreien Straßen für einen Ausflug: Zum Thingvellier – dem Graben, wo nordamerikanische und eurasische Kontinentalplatte auseinanderdriften. Ein heidnisch heiliger Ort. Hier hebe ich ab: Eine Sturmbö erwischt mich und verfrachtet mich einen halben Meter durch die Luft. Huiii! Dann halten mich ein Geländer und mein Mann von einem längeren Flug ab. Regentropfen wie Nageleinschläge hämmern uns ins Gesicht. Triefend, zum Auswringen nass erreichen wir unseren Jeep. Genug Sightseeing für heute! Ab ins warme Häuschen! Als wir – vom Sturm immer wieder hin und her gepeitscht – endlich in den Weg zum Haus einbiegen, wirbelt eine Schubkarre neben uns her. Sie hebt ab und sinkt zu Boden – hoch und nieder im Gleichklang mit den heftigen Wellen des Sturms. Unberechenbar. Dennoch schnurgerade auf ein parkendes Auto zu. Und dahin, wo wir hin wollen. Plötzlich sprintet der Mensch, der für das parkende Fahrzeug verantwortlich ist, in einer der kurzen Sturmpausen heldenmütig aus dem Haus, um die Salto schlagende Schubkarre mit dem Gewicht großer Steine lahmzulegen. Das gelingt! Und ein Gewicht großer Steine fällt uns vom Herzen, als wir schließlich unbeschadet die heimelige Behausung erreichen. Franziska Lachnit 

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