Adenauer reloaded

Von Einar Koch

Als er geboren wurde, fuhr in Köln noch die Pferdebahn. Als seine Kanzlerschaft nach 14 Jahren endete, testeten die Amerikaner ihre ersten Mondraketen. Konrad Adenauer erlebte die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, das Dritte Reich. 1949 wurde er mit 73 Jahren Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Jetzt will eine neue, modern konzipierte Dauerausstellung des Adenauerhauses in Rhöndorf vor allem auch das Interesse jüngerer Generationen am ersten Bundeskanzler wecken –  zum Teil mit bisher nicht gezeigten Dokumenten und Exponaten.

 Die neue Dauerausstellung („Konrad Adenauer 1876 bis 1967 – Rheinländer, Deutscher, Europäer“) wird am 19. April mit geladenen Gästen feierlich eröffnet. Es ist zugleich Adenauers 50. Todestag. Aus diesem Anlass zelebriert der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki eine Messe in der Rhöndorfer Pfarrkirche. Hier erinnert noch immer ein Namensschild an Adenauers Stammplatz. Nach der Messe wird im Kursaal der Chef des Kanzleramtes, Bundesminister Peter Altmaier (CDU), Leben und politisches Wirken des „Alten“ würdigen. Ab 13.00 Uhr wird die neue Ausstellung an diesem Tag allgemein zugänglich sein, bevor sie dann am Wochenende darauf mit einem bunten Museumsfest offiziell startet.

Soviel dürfte feststehen: Unsere Stadt wird um eine Besucher-Attraktion reicher! Ein Jahr lang wurde das Rhöndorfer Museum mit erheblichem finanziellen Aufwand (rund 2,3 Millionen Euro) umgestaltet. Die Kosten allein für den Umbau betrugen rund 1,4 Millionen Euro, die neue Ausstellung selbst kostete 900 000 Euro. Über allem thront Adenauers Wohnhaus mit spektakulärem Blick auf das Rheintal. Hier wurde selbstverständlich nichts verändert.

 Ein modernes Raumkonzept vergrößerte die Ausstellungsfläche des Museums am Eingang zu Adenauers Domizil von 230 auf jetzt 300 Quadratmeter. Eine dritte Ebene ermöglicht es, in der Ausstellung mehrere Führungen gleichzeitig anzubieten. Die Ausstellung selbst wurde durch das renommierte Büro „Atelier Brückner“ aus Stuttgart entworfen. Maßgeblich gefördert wurde das gesamte Projekt vom Bund, der NRW-Stiftung und dem Landschaftsverband Rheinland.

 35 000 Besucher jährlich

 Zu den beliebten Führungen kommen jährlich noch immer im Schnitt 35 000 Besucher. Nachdem das Adenauer-Museum 20 Jahre lang mehr oder weniger unverändert geblieben war, passt sich die neue Dauerausstellung mit Medien-Stationen, inszenierten Räumen sowie einem Multifunktionsraum für Schulklassen und Vorträgen den heutigen Ansprüchen und Sehgewohnheiten an.

 Dr. Corinna Franz, Geschäftsführerin der überparteilichen Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, erläuterte dieser Zeitung das neue und abwechslungsreichere Konzept: „Die alte Ausstellung setzte relativ viel Vorwissen voraus und wandte sich vor allem an die Zeitzeugen-Generation. Natürlich wollen wir auch diejenigen, die uns schon kennen, wieder zu einem Besuch animieren. Vor allem aber hoffen wir, durch die bauliche Ästhetik, inhaltliche Ausrichtung sowie die didaktische und mediale Aufbereitung der Ausstellung neue Zielgruppen anzusprechen.“

 Die Ausstellung wolle, so Franz, deutsche und europäische Zeitgeschichte für jedermann verständlich machen. Eingeflossen sind neuere Forschungsergebnisse. So wird etwa auch die Frage thematisiert, wie es die junge Bundesrepublik mit der Nazi-Vergangenheit vieler Spitzenbeamter hielt – Stichwort: Adenauers umstrittener Kanzleramtschef Hans Globke.

 Der Rheinländer

 Da vor allem im Rheinland das Interesse am „Alten aus Rhöndorf“ noch immer groß ist, kommen in der neuen Dauerausstellung sowohl Adenauers Wirken als Kölner Oberbürgermeister als auch der rheinische Katholik Konrad Adenauer stärker als bisher zur Geltung.

Künftig ist dem „Rheinländer“ Adenauer ein eigener Raum gewidmet. Es werden in alten Filmausschnitten alle wichtigen Großprojekte – wie etwa der Bau des Müngersdorfer Stadions – vorgestellt, die Adenauer als Kölner OB vorangetrieben hat und mit denen er die Domstadt zur blühenden Metropole des Rheinlandes ausbaute. In den Vitrinen zu sehen sind Adenauers Anstellungsurkunde als Stadtoberhaupt und sein Taschenkalender. Darin markierte der Zentrums-Politiker den Tag, an dem ihn die Nazis aus dem Kölner Rathaus jagten.

 Der Staatsmann und Familienmensch

 Den größten Raum der Ausstellung nimmt naturgemäß die Ära Adenauers als erster deutscher Bundeskanzler ein. Optisches „Highlight“ ist hier die alte Kabinettsglocke aus dem Bonner Palais Schaumburg. Ein weiterer Blickfang dürfte der bunte Indianerkopfschmuck sein, den der „Alte“ 1956 bei seiner Ernennung zum „Ehrenhäuptling“ der Vereinigten Indianerstämme von Wisconsin erhielt.

Die jetzige Ausstellung bringt dem Besucher Adenauer nicht nur als herausragenden Staatsmann und überzeugten Europäer näher; noch privater und persönlicher als bisher begegnet dem Betrachter auch der Familienmensch Konrad Adenauer; der Rosenfreund, der Bocciaspieler, der Erfinder von allerlei Praktischem wie dem elektrischen Insektentöter oder dem innenbeleuchteten Stopf-Ei; der Krimileser (Agatha Christie) und der Kunstsammler. 

Schmunzeln dürfte der Betrachter etwa über Adenauers erstes Schulzeugnis, das ihm am 13. April 1881 sein Vater Johann als „Privatlehrer Papa“ in altdeutscher Handschrift ausstellte. Der preußisch geprägte Beamte hatte den Sohn im ersten Schuljahr zu Hause unterrichtet – vermutlich, so ist es in der Familie überliefert, um das damals erhobene Schulgeld zu sparen. Penibel vermerkt der Vater: „Betragen: sehr gut; Fleiß: die letzte Zeit lobenswert; Lesen: gut; Schreiben: gut“. Unter „Besondere Bemerkungen“ ist festgehalten: „Wenn er so fortfährt, kommt er nächstes Jahr in die zweite Klasse. Wird er aber faul, dann muss er wieder anfangen mit den Köttelchen (rheinisch: Erstklässler).“

 Das Vermächtnis

Während die alte Ausstellung thematisch im Grunde mit dem Tod Adenauers endete, setzt die Nachfolgerin Akzente bis in die Gegenwart. Sie dürfte vor dem Hintergrund aktueller Debatten um Europa und die NATO insoweit deutlich politischer sein. Denn:

 Adenauer ebnete den Weg zur deutsch-französischen Aussöhnung und bereitete mit Charles de Gaulle den Boden für die (spätere) Europäische Union. Nach zwei verheerenden Weltkriegen mit 65 Millionen Toten war es dem „Alten“ ein Herzensanliegen, dass endlich Frieden auf dem Kontinent herrschen sollte. Ihm war klar, dass dieses Ziel am ehesten über eine enge wirtschaftliche Verflechtung Europas zu erreichen war.

 Die von Frankreich und der jungen Bundesrepublik zu Beginn der 50er Jahre vorangetriebene Montan-Union (Kohle&Stahl) – es waren, wenn man so will, die Kinderschuhe des heutigen Europa! Adenauer würde sich wohl im Grabe umdrehen, müsste er mit ansehen, wie leichtfertig populistische Strömungen dabei sind, das große europäische Erbe der Gründerväter zu verspielen. Ebenso würden ihn Diskussionen über Sinn, Zweck und Zukunft der NATO zutiefst verstören. Schließlich war auch die Westintegration eine der tragenden und bis heute wirkenden Säulen seiner Außenpolitik.

Wer aus der neuen Ausstellung die Summe aller Eindrücke zieht, wird feststellen müssen: Adenauer wusste nur zu genau um die Schwächen der ersten deutschen Demokratie. Die Väter des Grundgesetzes, zu denen er als Präsident des Parlamentarischen Rates gehörte, hatten die Lehren aus der Weimarer Republik mit ihrem Parteien-Klein-Klein gezogen. 

Fazit: Wo immer der Besucher (partei-)politisch stehen mag – die Erkenntnis lautet zweifelsohne: Ohne Adenauers vorausschauender Politik wäre die stabilste Demokratie, die es je auf deutschem Boden gab, kaum denkbar gewesen!

 Der Sparfuchs

 Zum eigentlichen Eröffnungswochenende am 22./23. April lädt die Rhöndorfer Stiftung (Vorstandsvorsitzender: Staatssekretär a.D. Manfred Speck) die Öffentlichkeit zu einem bunten Museumsfest mit Familienprogramm in das Adenauersche Domizil am Hang von Rhöndorf ein. Am Sonntag gastiert das „Puppentheater am Drachenfels“ mit dem Stück „Aufruhr im Siebengebirge“. Besucher können sich von einem Karikaturisten/Schnellzeichner porträtieren lassen. Eintritt und alle Programmpunkte sind kostenlos. Würstchen, Pommes und Getränke müssen bezahlt werden. Das liegt gewissermaßen in der Tradition, war doch auch der „Alte“ äußerst sparsam, wie die nachfolgende Anekdote belegt.

Uschi Koch, ehedem das Rhöndorfer Nachbarsmädchen Schmitz, erinnert sich: „Ich ging rüber, um ihm zum 75. Geburtstag zu gratulieren. Meine Augen leuchteten, als der ‚Alte‘ mit einer Tafel Sarotti-Schokolade vor die Tür trat. Für uns Kinder in den Nachkriegsjahren etwas unendlich Kostbares. Dann überlegte er es sich kurz, steckte die Tafel Schokolade ein, ging ins Haus und kam – knauserig wie er war – mit ein paar ollen Rahmkamellen zurück.“ 

Auch der Verfasser dieser Zeilen denkt mit Wehmut an die gute alte Adenauer-Zeit, als er frühmorgens auf dem Schulweg zum Sibi durch den Zennigsweg kam. Mit laufendem Motor wartete schon der legendäre 300er, dahinter der schwarze BKA-Porsche 356 der Sicherungsgruppe Bonn. „Guten Morgen, Herr Bundeskanzler!“, grüßte ich. „Guten Morgen, junger Mann!“, grüßte der „Alte“ höflich zurück und stieg, niemals ohne Hut (!), in seinen Mercedes ein, der ihn über die Königswinterer Rheinfähre zum Palais Schaumburg brachte.

ps: Unter der Woche ist die Dauerausstellung dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet (Eintritt frei). Die letzte Führung findet immer um 17.15 Uhr statt.