Die Bad Honnefer Veedel (1)

MOMENTE: Et Schönste, wat m’r han schon all die lange Johr…

Veedel  ist bekanntlich das kölsche Wort für Viertel beziehungsweise Stadtviertel. Damit ist weniger ein Stadtteil gemeint, sondern eher ein kleinerer Teil der Stadt, in der Regel die unmittelbare Umgebung, in der jemand wohnt und damit vergleichbar ist, mit dem Wiener Grätzl oder den Kiezen in Berlin.

Die exakte Grenzziehung zwischen Veedeln ist in größeren Städten wie Köln kaum auszumachen – sie existiert streng genommen nur bei der Parkraumbewirtschaftung, bei der Plaketten nach von der Stadtverwaltung definierten Vierteln benannt werden. Insofern macht die geplante Parkraumbewirtschaftung in Bad Honnef vielleicht doch einen Sinn.

Unser Fotograf Christian Adams hat sich einmal auf den Weg durch die Stadt gemacht, um nach typischen Honnefer Veedeln Ausschau zu halten. Zu allererst ist er natürlich in seinem Veedel, Kreuzweidenstraße/Bergstraße fototechnisch fündig geworden. Dieses, von uns jetzt auserkorene 1. Bad Honnefer Veedel, zeichnet sich durch eine besondere Vielfalt aus.

Hier leben Künstler, Handwerker, Architekten, Werbeleute, Studenten und Flüchtlinge auf überschaubarem Raum zusammen. Und mittendrin steht das Rathaus. Allabendlicher Treffpunkt für alle ist die Ruhebank vor Adam´s Haus. Dort wird mit Kind und Kegel zünftig gegrillt, gefeiert, geklaaft und gelacht. Eigentlich irgendwie recht unwirklich in der heutigen Zeit von Facebook und Co.

Aber: „Wat och passeet, dat Eine es doch klor, et Schönste, wat m’r han schon all die lange Johr es unser Veedel, denn he hält m’r zosamme, ejal, wat och passeet en uns’rem Veedel…“, das wissen de Black Fööss schon seit ewigen Zeiten. Wenn sich Menschen aufmachen, um einander zu entdecken, wenn sie sich aufmachen, um anderen ihr Veedel zu präsentieren, dann sind das ganz besondere Momente. Denn ein Veedel ist mehr als die Häuser und die Läden, ein Veedel ist das, was die Menschen daraus machen.

Läden und Kneipen gibt es allerdings nicht mehr in Adam´s Veedel. Und auch in dieser Beziehung haben die Bläck Fööss ja so recht: „Wie soll dat nur wigger jon, wat bliev dann hück noch ston, die Hüsjer un Jasse die Stündcher beim Klaafe, es dat vorbei…?“ Nein, wir bleiben auf Spurensuche nach den Veedeln in dieser unseren Stadt. Über Vorschläge von Ihnen würden wir uns natürlich sehr freuen. Die Bad Honnefer Veedel-unser Sommerthema. bö

WANDERGESELLEN: Stippvisite in Bad Honnef

„Kulturerbe auf zwei Beinen“

Dienstag, 21 Uhr, sechs Wandergesellen und zwei Wandergesellinnen stehen in der Nähe des Rathauses. Sie suchen eine Bleibe für die Nacht. Sie sind von Hennef nach Bad Honnef getippelt. Morgen wollen sie nach Koblenz. Gesellen auf der Walz. Ein schier uralter Brauch, der auch heute noch jährlich 500 junge Menschen allein in Deutschland auf die Straßen zieht, um die Welt kennen zu lernen, die Sitten und Gebräuche anderer Länder zu erfahren. Und, um eben auch außerhalb der Heimat zu arbeiten. Grenzenlose Freiheit. Eine Gesellin, Aleta, sagt: „Ich möchte und werde die Welt kennen lernen“. Drei Jahre und einen Tag hat sie dafür Zeit. So lange dauert die Walz. Wer darf auf die Walz? 

„Nur wer einen Gesellenbrief hat, unter 30 Jahre alt, ledig und kinderlos ist. Außerdem muss das Führungszeugnis sauber sein. Wer dann auf die Walz geht, hat nicht nur das Gesetz zu achten, sondern auch den Ehrenkodex seiner Gesellschaft. Bevor wir losziehen, bekommen wir einen Ohrring, das Ohrloch wird mit Hammer und Nagel reingeklopft. Das Ohrläppchen wird auf einen Tisch gelegt, zwei Schläge, mit Schnaps wird sterilisiert, auch innerlich, ich habe das kaum gespürt. Wenn ein Wandergeselle den Kodex grob verletzt, indem er etwa einen Gastgeber bestiehlt, wird der Ring aus dem Ohr gerissen, um seine Schande sichtbar zu machen. Daher kommt der Begriff Schlitzohr“.

In Bad Honnef hatten die Gesellen Glück. Sie trafen Christian Adams, der nicht nur ein großes Herz hat, sondern auch ein großes Wohnzimmer. Dort konnten die Reisenden, der Volksmund nennt sie auch „Tippelbrüder“, übernachten. Und erzählen. Sie alle trennen sich für drei Jahre von ihren Familien,Freunden und Gewohnheiten. Auf der Walz gilt beispielsweise striktes Handy-Verbot. „Nach ein paar Tagen fehlt uns das nicht mehr. Wir lernen täglich neue, interessante Menschen kennen, wir sammeln täglich neue Erfahrungen. Das macht auch süchtig“. Ihre ungewöhnliche Kluft mit Hut, Weste, Schlaghose und Wanderstock macht sie interessant. Das schafft Selbstbewusstsein und diszipliniert. Wandergesellen sind seit dem 15ten Jahrhundert unterwegs. „Wir sind ein Kulturerbe auf zwei Beinen“, strahlt Aleta. Die meisten der 500 Wandergesellen in diesem Jahr seien Zimmerer, Tischler, Dachdecker oder Maurer.

Sie tippeln oder trampen durch die Welt. Sie übernachten im Freien, in Kneipen, in Kirchen oder in Hostels. Oder privat, wie in Bad Honnef. Wenn das Geld knapp wird, dann suchen sie sich Arbeit. „Baustellen gibt es auf der ganzen Welt“. Für Schlafen und Reisen darf kein Geld ausgegeben werden. Ehrensache. Im Gepäck haben die Gesellen drei Unterhosen, drei Socken und drei Hemden. Und ein Wanderbuch. Dieses Büchlein ist ein wohlgehüteter Schatz. Es enthält unzählige Fotos, handschriftliche Einträge und Stempel von den besuchten Städten.

Für den Stadtstempel hier sorgte Bürgermeister Otto Neuhoff höchstpersönlich. „Das ist eine große Ehre für uns“, bedankten sich die Wandergesellen. Vom Rathaus aus zogen sie weiter an den Rhein Richtung Süden. Abschiedsschmerz? „Nö, schön ist es auf der ganzen Welt“. Ihre Ziele sind unterschiedlich: Schweden, Australien, Asien, Kuba. Baustellen gibt es eben überall. bö