Kommunalpolitik umgekrempelt

GRÜNE: Zur Halbzeit der Wahlperiode von Bürgermeister und Rat

Im Zusammenwirken von Bürgermeister, Verwaltung und Politik gab es seit der Wahl zahlreiche positive Entscheidungen. Dazu zählen wir das Investitionsvorhaben der Wirtgen GmbH im Gewerbegebiet am Dachsberg und den Wiedereinstieg in den öffentlich geförderten Wohnungsbau mit dem Projekt an der Aegidienberger Straße. Dazu gehört in erster Reihe die Realisierung einer Gesamtschule mit Plänen für einen Schulneubau und eine Zweifachsporthalle – mit der Kröte, dass die Außensportfläche einem Immobiliengeschäft des Erzbistums Köln geopfert wird.

Wir freuen uns über die Sanierung der City-Kanalisation und in Aegidienberg über die Fertigstellung einer Zweifachsporthalle bis Ende des Jahres. Wirklich stolz sind wir auf den Umgang unserer Stadt mit Flüchtlingen, den Verwaltung und ehrenamtlich Engagierte in hervorragender Zusammenarbeit gestalteten. Auch die Restrukturierung der Stadtverwaltung zu einer leistungsfähigen Organisation macht Sinn und Fortschritte; wenn es dabei schon mal im Gebälk knirscht, so nehmen wir das als Bestandteil des positiven Prozesses zur Kenntnis.

Einige Maßnahmen taten weh und gehen gegen unsere Vorstellung vom Umgang mit Bürgerinteressen. Wir haben regelmäßig Alternativen entwickelt, trugen aber viele Entscheidungen mit, weil wir sie als Bestandteil der notwendigen Gesundung Honnefer Kommunalfinanzen sahen.

Dennoch stellen wir uns Fragen. Die Staffelung der neuen Kita-Gebühren ist zwar optimiert und Einstieg in die Logik der starken Schultern, die schwächeren helfen. Doch lohnt die Arbeit daran, noch sozialere und gerechtere Lösungen zu finden. Zumal neben Kitas auch die OGS nach faireren und weniger belastenden Regelungen bei der Geschwisterermäßigung sucht. Und hätten wir das mit den erhöhten Abwassergebühren nicht besser machen können? Warum konnten wir an der zu weitgehenden Erhöhung der Grundsteuer B nicht Augenmaß und eine sozialere Sicht durchsetzen? Dabei erwarten wir natürlich, dass der Rat gerade hier bei sich bietender Chance sofort wie vereinbart eine neue, entlastende Entscheidung trifft.

Wieso installieren wir in unserer Stadt eine Parkraumbewirtschaftung, die außer Gebührenerhebung nichts bringt? Wir sind für eine seriöse Prüfung, wie ein wirkliches Konzept aussehen muss zur Lenkung von Verkehrsflüssen, zu tatsächlichem Vorteil für die Honnefer Geschäfte, zur Verringerung des Verkehrs und der Emissionsbelastungen. Gut, dass wir wenigstens beim Wegfall der Familientarife im Freibad dagegen stimmten. Auch gut, dass wir bei der Umwidmung von Grünflächen für den Gemeinbedarf und bei den Bebauungsplänen von Außensportflächen, Bolzplätzen und Spielflächen unsere Kritik deutlich gemacht haben.

„Sonderabgaben“ wie solche für den Zeitungsständer vor der Ladentür (!) lehnten wir zurecht ab. Und weil nichts ohne Konstruktivität geht, beteiligten wir uns besonders an der Formulierung verbindlicher Kriterien für die Gesamtschule. Oder bemühen uns um ernsthafte Fortschritte bei der Flüchtlingsintegration z.B. im Wohn- oder Gesundheitsbereich.

Natürlich ist es richtig, aus dem Haushaltssicherungskonzept herauszukommen und damit wieder Gestaltungsspielraum zu gewinnen. Zumal die Bewohnerinnen und Bewohner Bad Honnefs von der Politik Gestaltungswillen erwarten. Weil Grüne Politik auf Werten basiert, fühlen wir uns verpflichtet Stimme derer zu sein und zu bleiben, die nicht alle Fragwürdigkeiten einfach mitmachen.

Skepsis bleibt angebracht gegenüber Wachstumsorientierungen, die den Fokus auf Quantität und Einkommenssteuersteigerung legen, dabei die Pflicht zur teuren neuen Infrastrukturinvestitionen (Kindergärten, Schulen, Straßen etc.) ausblenden sowie all das, was an Natur und Lebensqualität verloren ginge. Keineswegs werden wir zuschauen, wenn an Floßweg und Kardinal-Frings-Straße der Anwohnerwille gedemütigt wird.

Es ist wichtig, in unserer Stadt mit ihrer jahrelangen Passivität auf Entwicklung und zukunftsfähige Perspektiven zu schauen. Wir begrüßen sehr, dass Bürgermeister und Rat schnell für eine Planungsabteilung sorgten, die den Namen verdient. Die nach vorn will und Bad Honnef entwickeln. Würde sie doch offener, transparenter, besser und früher kommunizieren! Wir Grüne unterstützen analog und besonders, dass zur Wirtschaftsförderung ein weiteres starkes Kompetenzteam im Rathaus entsteht. Es wird sich im wahrsten Sinne bezahlt machen. Wir erwarten allerdings, dass die Erhöhung der Personalausgaben für den Aus- und Aufbau verwaltungsinterner Kompetenzen zu wesentlichen Einsparungen bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen führt.

Gestaltungswille schließt die Formulierung von Zielen, die Entwicklung von Alternativen, partizipative Veränderungsprozesse unter Einbindung der hier lebenden Menschen, die Verbindung fachlicher Kompetenzen mit informellem Erfahrungswissens, eine transparente Kommunikation ein. Ebenso die Bewertung der Nachhaltigkeit und effiziente Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse. Dies bezieht sich nicht nur auf die Planung städtebaulicher Projekte. Dabei sind wir dafür, nicht nur auf neue Leute als Zuzügler zu setzen, sondern gründliche Mühe aufzuwenden, um die jetzigen Bewohner zu halten in einem Bad Honnef, das Qualität bezahlbar bietet. Das Soziales, Familie, Senioren im Fokus hat. Und natürlich die Jugend, der es hier noch wie immer – und vor allem noch nicht besser – geht.

Zu den wichtigen Zielen zählt auch, alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt zu behandeln und die Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen voranzubringen. Als Grüne interessiert es uns in der Tat besonders, dass auch ein Leben ohne eigenes KFZ maßgeblich verbessert wird. Wir wollen spürbare Fortschritte für Fußgänger, Radfahrer und den ÖPNV. Das ist Bestandteil des grünen politischen Markenkerns und Konsequenz unserer Forderung von Nachhaltigkeit. Deshalb drängen wir auch auf die gleichermaßen ökologisch und finanziell lohnende Herausnahme von ca. 90 Hektar Hochstammbuchen aus der Nutzung und die Wandlung in „Wildnisgebiet“ unter erheblichen Ausgleichszahlungen durch das Land. Außerdem braucht Bad Honnef einen neuen Flächennutzungsplan; der wird nicht nur „von oben“ gefordert, sondern macht Sinn.

Bei allen guten Ideen: Die Stadt ist teurer geworden für die Menschen, die hier wohnen. Für Familien mit Kindern oft zu teuer. So soll es nicht weitergehen,,haben wir uns vorgenommen. Was uns unterscheidet von der CDU (die Einsicht in jede Mehrbelastung zeigt), vom Bürgerblock (der gleich 5.000 neue Einwohner und viel mehr bauen will), von der FDP (die einfach alles mitmacht und so selber nicht denken muss). Wir sehen die Gefahr, dass auf derart teils populistische Weise genau jene bürgerliche Koalition zusammenfindet, die diese drei Parteien aus eigener Kraft nie hinkriegten.

Für den Aufbruch Bad Honnefs seit 2014 sorgten beide – neuer Bürgermeister und neuer Rat. Die Grünen gewannen stark beim letzten Urnengang, und sie setzten sich stark für den jetzigen Bürgermeister und dessen neue Inhalte ein. Otto Neuhoff wurde auch und gerade gewählt, weil er das Modell DIALOG BAD HONNEF mittrug. Manchmal (Floßweg u.a.) droht, dass dieses Versprechen gebrochen wird. Es geht um die gleichberechtigte Zusammenarbeit der vier Akteure Rat, Bürgermeister, Verwaltung UND Bürgerschaft. Immer. bh

„Lösungen finden, statt Probleme suchen“

IM GESPRÄCH: Bürgermeister Otto Neuhoff

Otto Neuhoff vor drei Jahren bei der Amtseinführung und heute (o.)

Im ersten Jahr seiner Amtszeit hat er sich gefragt, warum er sich das alles angetan hat. Im zweiten Jahr wurde diese Frage, beziehungsweise die Antwort, von der dramatischen Flüchtlingssituation überlagert. Und nun, im dritten Jahr seit seiner Wahl zum Bürgermeister, weiß er, warum er sich das alles angetan hat. „Wir sind unserem Ziel, die Stadt voran zu bringen, ein ganzes Stück näher gekommen“. Frage beantwortet.

Die Stadt Bad Honnef ist aus ihrer Lethargie aufgewacht. „Wir sind auf Kurs“. Heißt: Es werden heutzutage auch schon mal unpopuläre Entscheidungen getroffen und umgesetzt. Wie kürzlich im Rat die Erhöhung der Grundsteuer B, die mit Magenschmerzen oder gar Magenkrämpfen verabschiedet wurde. Da siegte die Vernunft über die Magenprobleme, denn: 2017 muss der städtische Haushalt ausgeglichen werden, um aus der Haushaltssicherung heraus zu kommen und damit wieder finanziell unabhängig zu werden. Ein langgehegter Wunsch aller, dessen Erfüllung bisher an den Bauchschmerzen der Bürgervertreter gescheitert war.

Auch mit dem umstrittenen Parkraumbewirtschaftungskonzept, das eine Erhöhung der Gebührenpflicht mit sich bringt, fließen zusätzliche Gelder in die städtischen Kassen. Darum geht es.

Aber der Reihe nach: Im Wahlkampf hat Kandidat Neuhoff gesagt: „Es geht mir darum, dass wir gemeinsam den Stillstand überwinden und wieder Entscheidungen im Dialog vorbereiten, die dann auch entschlossen umgesetzt werden, die finanzielle Abwärtsspirale durch effiziente Prozesse stoppen und den finanziellen Spielraum erhöhen, um freiwillige soziale Leistungen zu erhalten sowie dringend notwendige Investitionen zu realisieren und mit einem integrierten Handlungsplan der Stadtentwicklung neue und nachhaltig wirksame Impulse zu verleihen“. Gesagt. Getan. Es beginnt die Zeit der Ernte.

Der ganz große Druck ist raus. Auch wenn die LAGA-Bewerbung nicht den erwünschten Erfolg brachte, sie rückte Bad Honnef wieder in denn Focus der Rhein-Sieg-Kreises. Nach langer Dürrezeit wurde die Stadt wieder ernst genommen. Minister und Staatssekretäre gaben sich die Klinken in die Hand.

Die Verwaltungsspitze wurde neu aufgestellt und verjüngt. Mit Fabiano Pinto, Johanna Högner und Cigdem Bern kam nicht nur frischer Dampf ins Rathaus, sondern auch eine ganz andere Denkweise: Gestalten statt verwalten, ausprobieren statt aussitzen. Neuhoff: „Wir haben aufgeräumt und neue Grundlagen geschaffen“. Der Anfang vor drei Jahren war verdammt schwer. „Einen 1.Beigeordneten gab es nicht, Technischer Beigeordneter Jopa Vedders war krank, ebenso wie Büroleiter Ferdinand Allkemper. Wirtschaftsförderung fand nicht statt. Rat und Verwaltung waren heillos zerstritten“.

Die Stadt ganz tief unten. Im Kreis wurde über die ehemals so stolze Stadt am Rhein nur noch die Nase gerümpft. Nachbar Königswinter war der Liebling mit den besten Zukunftsaussichten. „Warum tue ich mir das an“? Darum: Technologieführer Wirtgen baut auf Bad Honnefer Grund. Die Sporthalle Aegidienberg wird Ende des Jahres fertig gestellt sein. Fast zeitgleich werden die Bauarbeiten auf dem Postgelände beginnen.

Das Stadtentwicklungskonzept, oder besser: Die Stadterneuerung, ist auf dem Weg. Bad Honnef bekommt eine Gesamtschule. Die Zeit ist reif, für eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadt. Bad Honnef braucht eine Identität. Und Antworten. Kann Einzelhandel/Gastronomie/Hotelgewerbe in Bad Honnef an die Anforderungen der Zukunft angepasst werden? Kann der stationäre Einzelhandel mit dem Online-Handel Synergien eingehen?

Eine professionelle Dachmarke für die Stadt ist in der Konzeptionsphase, ebenso wie das lang ersehnte Online-Portal. „Bad Honnef hat soviel Potential, das kommt bisher im Netz eher diffus rüber. Wir brauchen eine starke Dachmarke und ein Dachportal. Darunter werden sich die individuellen Seiten einordnen können“. Unendlich viele Mosaikteilchen werden derzeit zusammen gefügt. Erfreulich: „Ich bin in guten, sachorientierten Gesprächen mit fast allen Fraktionen“.

Parkraumsituation: „Die wird zu sehr dramatisiert. Es gibt keinen gesicherten Nachweis, ob es in der Stadt überhaupt ein Parkraumproblem gibt. Länger als 5-7 Minuten bist du kaum unterwegs, um ein Ziel vom Auto aus zu erreichen“. Bebauung Sportplatz St.Josef: „Da vermisse ich eine souveräne Abwägung bei den Anwohnern. Wir werden eine Synthese zwischen den Vor-und Nachteilen finden. Jede normale Straße hat eine beidseitige Bebauung“.

Kaisers: „Die neuen Besitzer arbeiten an einem Sanierungskonzept“. Saynscher Hof: „Es gibt einen Investor, der einen Teil der rückseitigen Grundstücke gekauft hat. In Kürze finden Gespräche mit weiteren Grundstückseigentümer statt“. Dort wird planerisch ein geschlossenes Bebauungssystem mit dem heutigen Postareal angestrebt. „Das wird die Innenstadt immens stärken“. In Verbindung mit einer starken Dachmarke und einem einladenden Online-Portal sind das gute Aussichten für Bad Honnef. Und eine beruhigende Halbzeitpause für den Bürgermeister. bö