Wegschauen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; menschliches Grundbedürfnis hin oder her. Aber wenn der Bauch Hunger leidet, kann das Zwerchfell nicht vibrieren (ich hoffe, jetzt verlangt keiner einen Quellennachweis).

Natürlich geht die tägliche Nahrungsaufnahme vor den Konsum von Konzerten, Museen und Theatern. Aber schon interessant, dass der Anteil Freizeit und Kultur im Hartz IV Regelsatz an zweiter Stelle steht, direkt hinter Nahrung und noch vor Nachrichtenübermittlung, Bekleidung und Wohnen / Energie.

An letzter Stelle steht übrigens Bildung mit sage und schreibe 1,55 Euro im Monat; muss man nicht kommentieren. Aber zum Thema Hunger in der Welt hat sich ja hierzulande eine weit verbreitete Kultur des passiven Wegschauens entwickelt. Zum aktiven Wegschauen brauch ich mich jetzt nicht zu äußern, da hat jeder sein eigenes Bild.

Beim passiven Wegschauen ist es etwas perfider, da passiert das Unheil nicht direkt vor unserer Nase, sprich, ist nicht permanent präsent, und wird deshalb galant unterschlagen. Jeder hat schon vom Welthungerbericht gehört, mit einer hohen, dreistelligen Millionenzahl an Unterernährten, aber wen interessierts? Vielleicht sollte man das Thema Bildung bei uns wieder stärker nach vorne schieben, nicht nur beim Hartz IV Regelsatz. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Phrasen

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; könnte man zumindest denken, wenn man die hiesige Kommunikationskultur seziert. Ich will jetzt nicht auf dem ganzen Talkshowgeseier herumreiten, welches der geniale Georg Schramm mal als „… Sprechblasenentleerung in den emotionalen Pissrinnen der Öffentlich-Rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Illner und Maischberger …“ bezeichnete.

Als fundamentaler Talkshowverweigerer kann und will ich mich dazu nicht äußern, da sind Andere berufener. Aber die Kultur der Phrasendrescherei in Politik und Gesellschaft greift schon sehr stark in meine intellektuelle Notdurft ein. In der Bundeskunsthalle in Bonn habe ich vor geraumer Zeit mal eine Phrasen-Dreschmaschine erworben, aus der Wortspielhölle des Übersetzerkollegiums Straelen (noch mit 4-stelliger Postleitzahl).

Ich zitiere wahllos und sinnfrei: „Die systematisierte Fluktuationsflexibilität erzeugt eine tiefe Bildungsbewältigung, deren echte Innovationspotenz bei mir eine innige Geistesverpflichtung hervorruft.“ Wenn Sie hierin keinen Sinn entdecken können, leih ich Ihnen mein Maschinchen gerne mal aus, auf dass es Ihren Informationsalltag erhelle. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Lagerfeuer

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; und das sage ich ausgerechnet jetzt, wo alles sprießt und fließt. Frühling lässt sein laues Band flattern durch die Lüfte.

Bei so einem Wetter muss auch die Kultur wieder raus; es riecht praktisch nach Biergartenkonzerten unter schattigen Bäumen, die Luft schwirrt von Open Airs im Sonnenschein, Instrumente tragende Studenten tummeln sich auf den Plätzen, durch die Fußgängerzone flirren Gesänge unzähliger Straßenmusiker, am Rheinufer liefert sich das Plätschern der Wellen, die von den Frachtern verdrängt ans Rheinufer rollen, einen Wettstreit mit Gitarrenklängen an knisternden Lagerfeuern, frisch erwachte Liebesgefühle finden Einzug in neu geschriebene Lieder junger, aufstrebender Nachwuchskomponisten, Worte, wohl an die tausende Male gehört, immer wieder neu beseelt, verliebte Jungs tanzen auf den Straßen, reiben ihre Nasen an den Frauen, die sich das gefallen lassen. Alles drängt nach draußen, die Frischluftkultur genießen. Vorbei die Zeit muffiger Proberaumaktivitäten und stickiger Kellergigs, jetzt geht‘s wieder ins Freie.

Im Frühling macht draußen einfach alles viel mehr Spaß, Musik erst recht. Und dazu noch ein frisches Frühlingssüppchen, mmh, lecker. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Populismus

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; wobei Kultur keineswegs unpolitisch ist. Lange Zeit kreiste die Kunst- und Kulturszene hierzulande weitgehend um sich selbst. Aber dann kam der Dornröschenkuss des Prinzpräsidenten Donald T., mehrfach bereits Topic dieses Kulturgeflüsters.

Und schon sieht und hört man weltweit wieder Künstler gegen die herrschende Politik auferstehen. In einer aktuellen Spiegel-Online-Kolumne von Jan F. wird die intellektuelle Verfettung des kulturellen Establishments gegeißelt, ein köstlicher Beitrag, zur Nachlese im SPON-Archiv absolut empfehlenswert.

Dass sich in unserem Staate mangels öffentlicher Finanzierung überhaupt so etwas wie ein kulturelles Establishment bilden konnte, ist an sich schon eine Glosse wert, dass dieses sich allerdings jetzt von der intellektuellen Rechten an den Rand gedrückt fühlt und diese in Debatten weitgehend ignoriert, sollte uns zu denken geben.

Dem dumpfen Populismus muss man sich als verantwortungsbewusster Mensch entgegen stellen, egal, von welcher Seite er auf leisen Sohlen einher schleicht. Da kommt es passend, dass auch unser hiesiges Künstlerkombinat Ant!form e.V. sich bereits seit einiger Zeit mit der Facebook-Initiative „Kunst gegen Populismus“ sehr erfolgreich gesellschaftlich positioniert. Der Beschluss für diese Aktion fiel übrigens vor der Inauguration. Bis nächste Woche also, stören Sie wohl.

i-ern

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; spätestens wenn zwei Meinungen auseinander driften, ist es oft mit der gemeinsamen Kultur vorbei.

Eine der wenigen Differenzen, die mich mit dem Herausgeber dieser Postille in neckischer Hassliebe verbindet, ist unser Hauptkommunikationsmittel. Während meinereiner sich mit einer uralten Android-Kiste allerbilligster Kajüte zufrieden gibt, dessen Display seit gefühlten 2 Jahren durch ein schnödes Spiderman-Design geprägt wird, ist Helmut B. stolzer Besitzer eines sogenannten I-Phones.

Und während ich mit meiner Antiquität lediglich telefoniere, smse und fotografiere, kann dieses hippe Wunderding schlichtweg alles. Wenn man sich den Wirbel so besieht, der um die angesagten Geräte mit dem angebissenen Apfel gemacht wird, könnte man denken, es handele sich um die Zauberstäbe von Mr. Ollivander. Geschäftssinn hat er ja, der gute, alte Tim C. aus Cupertino.

Mittlerweile beackert der kalifornische Gigant ja nicht nur den Handymarkt, sondern produziert jede Menge Lifestyleschrott, um auch noch mit der nutzlosesten Neuerung der zahlungswilligen Fanbase das Geld aus dem Portemonnaie zu leiern.

Barbies Freund bekommt bald ein I-Ken, der mondäne Strandbesucher benutzt einen I-Meer (aua) und die Werbekampagne wird von der firmeninternen Taskforce I-Vice gelenkt. Apropos, zu Ostern gibt‘s frische I-R, garantiert. Bis nächste Woche also, i-ern Sie wohl.

Schlüsselszene

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; spätestens jetzt an Aschermittwoch ist also auch die Karnevalskultur dieser Session in die wohlverdiente Sommerpause gegangen.

Durch den vorgezogenen Redaktionsschluss der HWZ komme ich denn doch nicht darum herum, mich nochmal auf die derzeitigen Ereignisse zu beziehen. Ich, der gebürtige Ruhrpottler, bekenne, Karneval im 7gebirge war toll! In den gesamten 20 Jahren meiner Residenz habe ich noch keine so entspannten Tage erlebt.

Die Schlüsselszene für mich spielte sich am Sonntag während des Honnefer Zochs ab: Wo alle Welt über Flüchtlingshilfe redet, helfen uns die hiesigen Flüchtlinge in verschiedensten Hilfsorganisationen. Die vorbildliche Arbeit der ortsansässigen Abteilungen des Roten Kreuzes und der Malteser zieht augenscheinliche Früchte.

Unsere Neubürger mit Migrationshintergrund in den leuchtend orangenen Jacken waren ein starkes Zeichen gelungener Integrationskultur. Leider habe ich es nicht mehr in unsere nördliche Nachbarkommune geschafft, dort soll ja auch ein feierfestes Völkchen hausen. Unsere Illustratorin hat allerdings von Bonn aus mit dem Fernrohr mal auf den Drachenfels geschielt. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Karneval

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; deshalb sollte an dieser Stelle passend zur närrischen Zeit eigentlich eine Alternative Büttenrede stehen, die leider etwas länger als gewohnt war.

Nachdem ich die drohende „Zensur“ des Herausgebers noch mit geschmeidigen Worten umgehen konnte, scheiterte es aber letztendlich doch am Veto des Layouters, der schlichtweg keinen Platz mehr frei hatte. Ergo hab ich mich aus Zeitnot nochmal mit meinem letztjährigen Karnevalsgeflüster beschäftigt, in dem ich leichtsinnig die Frage nach der Kultur des Karnevals stellte.

Mittlerweile gehöre ich allerdings auch in dieser Beziehung zu den gemäßigten Gönnern, getreu dem rheinischen Motto: „Jedem Tierchen sein Glas Bierchen“. Wie bei allen Dingen kommt es halt hier auch auf das Maß an. Karnevalsvereine, die ganzjährig das Brauchtum pflegen und ein hohes Maß an gesellschaftlicher und karikativer Verantwortung tragen, haben sich meine ausdrückliche Hochachtung verdient.

Auch meine karnevalistischen Aktivitäten haben sich mittlerweile vom 2-stündigen Zugbejubler am Sonntag auf den Besuch des Rhöndorfer Hotspots an Weiberfastnacht im Weingut Broel ausgedehnt. Von dort aus kann ich mich auch Geld sparend mit der Sackkarre um die Ecke nach Hause schieben lassen. Bis gleich also, hören Sie wohl.

Kulturfahne

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; und weil das so ist (zumindest in den öffentlichen Haushalten), schließen sich mittlerweile immer mehr Aktive verschiedenster Kunstformen zusammen und höhlen gemeinsam von innen den Untergrund der Hochkultur aus.

Dass dieses Prinzip sich auch bei uns herum gesprochen hat, habe ich ja in vergangenen Kulturgeflüstern bereits beleuchtet. Die hiesige Szene formiert sich. Diese Woche allerdings wurde der Durchstich unterm Rhein vollzogen und die Mineure beider Seiten fielen sich lachend in die Arme.

So besteht nun eine inoffizielle Partnerschaft zwischen der hiesigen, seit langem umtriebigen Künstlergruppe ant!form e.V. und der seit 2015 aktiven Bonner Kunstbrennerei e.V., die ihr Hauptquartier in einem alten Handwerksgelände an der Kölnstraße hat.

Und wo wir ihren festen Stammsitz bewundern, wo doch ant!form bislang durch verschiedenste Räume mäanderte (bald auch wieder in Bad Honnef), beneiden sie uns um unsere schönen Locations und unseren Rückhalt in Politik, Gastronomie, Handel und Gesellschaft. Die persönliche Chemie jedenfalls stimmte auf Anhieb und so freuen wir uns schon bald auf einen regen Austausch mit den Linksrheinern. Wir werden die Kulturfahne des 7gebirges in der Bundesstadt würdig vertreten. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Weltpolitik

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; gerade im Moment, wo wir mit Wichtigkeiten aus allen Richtungen bombardiert werden, vornehmlich aus dem wilden, wilden Westen, der ja bekanntlich seit Truck Stop gleich hinter Hamburg anfängt; ausgerechnet in einem Studio in Maschen, gleich bei der Autobahn.

Muss ich mir jetzt Gedanken machen? Sitzt da eventuell Donald am Twitterpult, Stephen in der Regie und Kellyanne mit Sean im Duett am Mikrofon? Die Pressekonferenz des Weißen Hauses (Fachsprech: Spicer goebbelt) unterlegt mit Geigen, Banjos, Steelguitar, da sind wir gut gelaunt. Passt doch. Die Cowboys von der Pennsylvaniakant mit ihrem Trashville-Sound. Man kann schließlich Allem etwas Positives abgewinnen, Einstellungssache.

Dabei wollte ich doch eigentlich um das Thema Weltpolitik einen großen Bogen machen. Aber es holt uns halt immer wieder ein hier am Rhein; ob Konrad A. auf dem Waldfriedhof, Angela M. auf dem Alten Friedhof oder Käpt‘n Wolfgang B. auf der Brücke der Aranka, die Bundespolitik ist in big bad Honnef gang und gäbe.

Da passt es doch ganz gut, dass mir mitten in dem ganzen Newsgeflashe eine befreundete Agentin aus Washington eine kalifornische Sängerin mit Gänsehautstimme ans Herz gelegt hat, die grade ihre 2017er Europatour plant; Cygne Meyer, vielfach auf youtube, im September live bei uns. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Donald T.

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; aber bevor ich mich jetzt wieder in theoretischen Niederungen ergehe, möchte ich noch schnell den nächsten Live-Musik-Termin verkünden: jetzt am Sonntag, 5. Februar 2017, spielt ab 11 Uhr zur nächsten Wintermatinée das Trio Kraske / Arenz / Haspel im Kelterhaus des Jesuiterhofes in Königswinter.

Die 3 Musiker um die charmante Sängerin Heike Kraske präsentieren ihre selbst komponierte CD „King of my Song“ und weitere swingende Titel aus Jazz, Latin und Pop. So, da hab ich mir jetzt selber den Faden abgeschnitten (Handbuch für Kolumnisten: Termine nie an den Anfang setzen).

Stimmt ja, eigentlich wollte ich mich noch ein wenig über den Niedergang der abendländischen Kultur in Persona von Donald T. auslassen, ein dankbares Thema. Das hat mich in den letzten 2 Wochen doch sehr stark beschäftigt, Sie sicherlich auch.

Da aber das ganze Geschehen eh schon von Scharen hochbezahlter und -qualifizierter Journalisten, Kolumnisten und Analysten bis in die letzte platinblonde Perückenfaser zerpflückt wurde, beschäftige ich mich denn doch lieber wieder mit dem kulturellen 7gebirgsgeschehen; wenn Sie mögen, von Angesicht zu Angesicht bei einem einheimischen Rebenerzeugnis und smoothigem Live-Jazz. Bis dahin also, hören Sie wohl.