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Markthalle – Es eilt

Eines jedenfalls ist klar: Die Aussage, es könne „noch Jahre dauern, bis da etwas konkret wird“, trifft nicht zu. Gar nicht. Was als Information zur Beruhigung gedacht war, wich inzwischen beunruhigenden Fakten ganz anderer Art.

Auf der bekanntesten Internetseite für Immobilien steht das gesamte Gebäude des ehemaligen Kaiser’s Markt zum Verkauf. Unter der Rubrik der „Anlageobjekte“ in Bad Honnef. Auf Nachfrage erfolgt die Auskunft, dass Interessenten wählen können: Den Komplex erwerben (Asset Deal) oder die Gesellschaft, die die Immobilie besitzt (Share Deal). Das ist eine klare Ansage. Weg mit dem Ding.

Nun kann es ganz schnell gehen. Interessenten, die dort investieren wollen, können über Nacht zum Zuge kommen. Eine Sicherung, dass dort Sinnvolles für die Stadt und deren Bürgerschaft passiert, existiert nicht. Im Gegenteil sind einfache Konzepte zu erwarten. Wohnraum wäre ein solches. So würde der Verzicht auf wirkliche Wiederbelebung festgeschrieben. Keine Einheit der Versorgung mit den Dingen des Alltags mehr, kein intelligenter Ersatz für den verschwundenen Kaiser’s.

Die seit der Schließung der Filiale oft menschenleere City wäre dann festgeschriebene Perspektive. Schmerzlos und gründlich. Eine funktionierende Innenstadt braucht überall mindestens einen generellen Versorger; das ist immer noch Anker und Schlüsselrolle. Bad Honnefer Alters- und Einkommensstruktur tun ein Übriges. Wer kommt hier in eine City, in der er seine Hauptbesorgungen nicht machen kann? Kaum jemand. So ist es, so würde es bleiben.

Klar ist auch: Wenn die Kommune dieses Herzstück ihres sozialen Lebens steuern und lenken will, so lässt sich das nicht über’s Knie brechen. Politische Willensbildung ist nötig, und dafür brauchen Rat, Ausschüsse und Verwaltung ein seriöses Bild der realistisch erreichbaren Fördermittel. Denn es kann nicht Aufgabe der Stadt sein, gleich welchem Investor unter Einsatz kommunaler Gelder ein Objekt zur Verfügung zu stellen. Im Sinne eines Geschenks. Die Erarbeitung einer solchen verantwortbaren Aussicht braucht eben eine gewisse Zeit. Wozu sich noch Verhandlungen mit jenem Investor addieren, der letztendlich tatsächlich die Verantwortung für das Objekt übernähme. Wie stellt der sich auf? Braucht es einen Vertrag zwischen der kommunalen öffentlichen Hand und dem Privatinvestor? Würden die Stände in der Halle vermietet, oder entstünde z.B. eine Genossenschaft?

Das Konzept der Markthalle jedenfalls ist fertig. Ein Plan zur Nutzung des Gesamtgebäudes ebenfalls – als Mischung weiterer Gewerbefläche im ersten Stock mit Wohnungen in den oberen Etagen. Dieses Konzept wurde bereits über seine Grundzüge hinaus vorgestellt; die durchgehend positiven Reaktionen lassen auf sehr breite Akzeptanz hoffen. Und jetzt eilt es. Der potentielle Markthallen-Investor will das Projekt auf Gemeinwohl orientieren. Das wird dann überzeugen, wenn er und die anderen Beteiligten ihre Hausaufgaben jetzt erledigen. Präsentationen formulieren, die Fördergeldsuche zum Abschluss bringen.

Selbstredend ist Niemand vor Ort dafür verantwortlich, dass „Acrest“ als zuständige, relativ kleine sowie auf Einzelhandelsobjekte fokussierte Immobilienmanagementfirma im Januar 2016 vom Branchenriesen Jones Lang LaSalle (JLL) übernommen wurde. Dass JLL im seinem großen Portfolio zwar Immobilien aller Art hält, aber mit neuen oder neuwertigen Gebäuden handelt. Dass das heruntergewirtschaftete Kaiser’s-Haus da nicht hineinpasst. – Doch es ist, wie es ist. Und das baut Druck auf.

Mädels. Penaten. Markt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leev Jecke, ich sage nur: 6.400 Schritte. Zwei Klimazonen im Kurhaus. 550 raderdolle Mädels. Und danach „Rücken“ und „Fuss“ und „Hals“. Zum Glück hat mir mein Präsident einen Stuhl für die kleinen Pausen zwischendurch hinter die Bühne gestellt. Es ist ja aber auch schön, irgendwie, mit 550 Mädels zu feiern. Und die Mädels hatten richtig Spass. So, lösen wir uns jetzt einmal von den Mädels, auch wenn es schwer fällt.

Seit 13 Jahren gibt es den Plan, in Rhöndorf einen Vollversorger auf dem ehemaligen Penatengelände zu bauen. Die Zeit geht dahin, und der Plan liegt wieder einmal auf dem Rathaustisch. REWE kommt!? Da bin ich aber gespannt. Gut, die Zeiten ändern sich. Wir haben Internet und Amazon. Warum soll ich noch einkaufen gehen? Darum: Weil ich Waren sehen und anfassen will. Weil ich unter Menschen sein will. Weil ich kommunikativ bin. Amazon macht blöd und einsam hat mir eben noch der Betreiber der Markthalle in Kölle, Ulrich Engels, gesagt. Wir trinken einen Kaffee zusammen.

Er schwärmt: „Es gibt Schinken aus Bayonne, einen Schafskäse, den man sonst nur mittwochs auf dem Markt im provenzalischen Uzès kaufen kann; es gibt feine Tapenaden, fermentiertes Gemüse, traditionell gebackenes Brot, bestechend schöne Rosen oder frische Wildbratwurst. Nur eines gibt es nicht: Coffee-to-go. Wir wollen diese Pappbecherberge vermeiden, erklärt er, der zudem auf dem Standpunkt steht: „Ein guter Espresso hat ein Recht auf eine Tasse.“

Dreieinhalb Monate hat es gedauert, um die Halle, in der sich lange ein Installationsgroßhandel befand, umzukrempeln; Entwässerung, Lüftung und Elektroversorgung zu gewährleisten. Jetzt findet man auf zwei Ebenen nahezu alles, was man zum täglichen Leben benötigt. „Es lag uns am Herzen, hier keinen Delikatessen-Tempel zu eröffnen“, betont Ulrich Engels, der selber als Betreiber der Kaffeebar und des Obst- und Gemüsestandes fungiert und zudem über eine Konzession für Alkoholausschank verfügt, denn sowohl in der Enoteca, als auch im Untergeschoss können Weine und kleine Köstlichkeiten probiert werden. Die Markthalle befindet sich im „Belgischen Viertel“ zu Kölle. 25.000 Einwohner. Dort wohnen viele Senioren und Studenten. Also durchaus vergleichbar mit Bad Honnef. Kleiner Scherz. Trotzdem: So eine Markthalle im ehemaligen Kaisers würde unserer Innenstadt sicherlich auf die Sprünge helfen. Und ein neuer Treffpunkt „Mitte“ werden. 

Eine Markthalle für Bad Honnef

HWZ vor Ort

Wir wollten wissen, wie eine Markthalle aussieht und wie sie sich anfühlt. Nicht in Frankreich oder Spanien, sondern im Rheinland. Wo es bisher nur eine Markthalle gibt. Die steht in Köln – wohin wir stets gern fahren. Die Einrichtung richtet sich an urbane Kunden, und Köln ist nicht Bad Honnef. Der Besuch half dennoch, tragfähige Eindrücke zu gewinnen.

Belgisches Viertel, Maastrichter Straße 45, breite Passage in einen großzügigen Hinterhof. Die Hallenfront als Rundbogen über die ganze Breite lädt freundlich ein. Bevor die Schwingtür erreicht ist, fragt schon Jemand hinter uns, wie es gefällt. Das HWZ-Expeditionsteam musste nicht suchen, denn schon hatte es die Markthallen-Macher kennengelernt. Renate und Ulrich Engels richteten lange Möbelhäuser ein – und konzipieren jetzt eine andere Welt: die Besucher entschleunigen, sie für eine Weile aus dem Alltag holen, Kommunikation organisieren. 25.000 Menschen wohnen im Belgischen Viertel, genauso viele in Bad Honnef. Ehrenfeld und die Innenstadt steuern Kunden bei, andere kommen gezielt aus dem Umland. Alle Altersgruppen, Senioren in ähnlicher Zahl wie Junge.

„Du brauchst nicht die Auswahl; Du brauchst punktgenau das, was die Leute suchen.“ Ulrich Engels macht diesen weisen Spruch. Also gibt es jedes Geschäft nur einmal: einen Bäcker, einen Fleischer, einmal Wein, einmal Feinkost, einen Gemüse- und einen Blumenladen. Ein Café, mittags wenige Gerichte auf kleiner Karte. Allerdings zwei bestuhlte Inseln zum Verweilen und zur Kontaktpflege, diverse Stehtische und Möglichkeiten zum Anlehnen. 420 Quadratmeter bietet das Ensemble. Im Schnitt brauchen die Stände 30 Euro am Tag zur Erwirtschaftung der Miete. Die Preise sind entgegen aller Ahnungen vernünftig. Capucchino 2,50, Brot und Gemüse absolut normal, Blumen ebenso, französische Feinkost im Rahmen. Zweimal wöchentlich steht ein Fischwagen vor der Tür mit den üblichen Konditionen. Nur das Fleisch ist teuer, immer biologisch, wildlastig; der Metzger ist auch Berufsjäger und schlachtet auf dem Land.

Philosophien gibt es viele. Geschichten auch. Der Wein ist ökologisch, kommt aus der Pfalz. Sein Erzeuger will als Visionär bald in Köln keltern. Die Etiketten entstammen einer Kooperation mit der Kölner Street-Art-Szene, die Künstler freuen sich über einen kleinen Profit. Die Bäckerei ist seit 1971 erfolgreicher Familienbetrieb im Agnesviertel, arbeitet dort noch mit Natursauerteig und betreibt neben ihrer Produktionsstätte samt Marktwagen den Stand in der Halle als einzige Filiale. Feinkost heißt hier „Terre de Provence“; jeder Käse, vier Sorten Oliven, das Öl (von der Coopérative bei Arles), jedes Produkt kommt von namentlich ausgewiesenen kleinen südfranzösischen Erzeugern. Unsere dringende Ahnung trifft zu, dass die Schweine für die Würste („Saucissons“) selbstverständlich frei laufen – und das natürlich am Mont Vertoux. Selbst das Essen ist besonders: Wechselnde Teams junger Leute bereiten es zu – und nennen sich „Guerilla-Kitchen“. Schöne an diesem Abenteuerspielplatz der Kommunikation ist, dass die Anekdoten schlüssig sind und offensichtlich zutreffen. Was übrigens in Bad Honnef kaum anders wäre.

Was kann mensch lernen? Oder konkret: Inwieweit hilft diese Markthalle, ein ähnliches Projekt im ehemaligen Honnefer Kaisers Markt zu realisieren? Zunächst fällt ein ganz wesentlicher Unterschied auf: In Köln geht es um ein maßgeschneidertes Angebot in einem Szene-Viertel mit Edeka und Rewe ums Eck, in Bad Honnef braucht es eine Grundversorgung in der City. Weil es eine solche nicht mehr gibt, und will die Innenstadt deswegen verödet. Also wird wichtig sein, den richtigen Ankermieter zu finden. Einen kleinen Sortimenter, der die Waren des Alltags bietet und grundlegende Bedürfnisse befriedigt. Was keineswegs unmöglich ist, wie wir nach ersten Anfragen wissen. Was wir sahen, war bereichernd. Das Konzept eignet sich mit kleinen Modifikationen auch hier. Sogar die Kundschaft wäre gar nicht so verschieden vom jungen Cafépublikum über auf ein umfassend alltagstaugliches Gesamtangebot angewiesene Senioren, von Besorgungen erledigenden Einkäufern über Mittagstischler aus Büros bis hin zu Hautevolée und Lokalgrößen. An solchen Orten können sich Alle wohlfühlen. Normalos, die gar nicht wenigen hiesigen Studierenden, Einkäufer für die Familie, Alte und Junge, Jeans und Kaschmir, ökologisch Bewusste und auch hochgetragene Nasen von Besseren. Es könnte passen. Und der Innenstadt neuen Atem geben.

Die ehemalige Kaiser’s Immobilie ist fast anderthalb mal so groß. Sie böte mehr Anbietern Platz. Auf nur einem Stockwerk bräuchte sie – anders als in Köln – keinen Aufzug, wäre von der Grundanlage her barrierefrei. Auch sie böte Raum für Veranstaltungen und Events, eignete sich zudem als potentieller Anker für diverse Stadtfeste. Das Dachmarkenlogo mit Herz im Wappen sollte den Zugang zieren, denn hier gäbe es Aussicht auf „Lebensfreude verbürgt“. Wenn ein entsprechendes Szenario an Fördergeldern eröffnet werden kann, dann fiele es der Stadtregierung ziemlich schwer, sich herauszuhalten. Denn eine akzeptable Grundversorgung in der City samt deren Belebung und Unterstützung der Geschäftswelt mag durchaus als Chefsache gelten. hb