Auch Trauben bekommen Sonnenbrand

DAS SOMMERGESPRÄCH: Heute mit Winzer Bobbi Pieper

Vor fünf Jahren kam es zur Krise: Die Winzer durften keine Angestellten mehr in ihre Hanglagen schicken, denn es bestünde dort durch Steinschlag Gefahr für Leib und Leben. Ganz plötzlich stand der gesamte Weinbau am Drachenfels vor dem Aus. In dieser existenzbedrohenden Situation sortierten sich die Winzer Broel und Pieper, beide Siebengebirgsstädte sowie die Region schnell und gründlich; bereits anderthalb Jahre später schützte ein aufwändiger Zaun den kompletten Wingert. Das war von der Realisierung her rekordverdächtig, gelang so nur mit Hilfe des damaligen Landesministers und seines Staatssekretärs und sicherte das Weinbaugebiet des Nördlichen Mittelrheins.

Seit Beginn des Dramas berichten die hiesigen Winzer in unserer Zeitung verständlich, aussagekräftig und informativ über den Wein der Region. Sie tun das regelmäßig. Die interessierte Leserschaft weiß heute, dass der Drachenfels vor allem Riesling mit feiner Säure und hoher Mineralität hervorbringt. Empyromatisch sei der, also „feuergeboren“ auf Vulkangestein. Und Mineralik liegt voll im Trend als Gegenstand zahlreicher Expertisen in der Branchenliteratur. Die HWZ konnte so einen Beitrag zum großen Umdenken leisten. Mittlerweile mehrfach prämiert genießen die Produkte einen guten Ruf, und auch in der Heimat gilt der Prophet inzwischen. Über den Jahrgang 2018 sprachen wir mit Bobbi, dem Senior der Piepers.

HWZ:   Was müssen wir über Eure 2018er wissen? Und gibt es überhaupt Aussicht auf Gutes angesichts der Dürre, die allen Landwirten weh tut?

Bobbi Pieper:   Uns Winzern geht es da anders als zum Beispiel den Getreidebauern. Denn Wein wurzelt sehr tief. Deshalb findet und erreicht er Wasser. Allerdings droht den Trauben Sonnenbrand. Das kann immer dann passieren, wenn gegen Ende des Reifungsprozesses neuer Saft die Trauben füllt. Bei so viel Sonne steht es gegebenenfalls auf der Kippe.

HWZ:   Was lässt sich heute bereits sagen?

Bobbi Pieper:   Alles ist drei Wochen früher dran. So der aktuelle Stand. Die Branche rechnet also mit einer frühen Lese. Wohl schon zum Augustende holen wir die früh reifenden Sorten ein. Beim Riesling ist es komplizierter, weil wir abwägen müssen….

HWZ:   Warum abwägen? Wenn die Öchslegrade hoch genug sind, ist er doch erntereif?

Bobbi Pieper:   Genau das hat sich geändert. Heute sind uns beim Riesling die Säurewerte wichtig. Säure macht den Charakter, auf deren Ausprägung achten wir. Noch vor wenigen Jahren war es tatsächlich das Mostgewicht – also die Süße – das den Erntezeitpunkt ganz wesentlich bestimmte. Der Geschmack hat sich in recht überschaubarer Zeit gewandelt; wir wollen die Säure erhalten, und für einen Erfolg dieses Ziels machen zu reife Trauben den Wein zu süß.

HWZ:   Und das hat welche Konsequenzen?

Bobbi Pieper:   Wir wollen den richtigen Erntetermin nicht verpassen und nicht zu spät lesen. Wenn wir uns eben primär an der Säure orientieren, dann lesen wir Riesling 2018 voraussichtlich ab Mitte September.

HWZ:   Der Blick durchs Okular des Refraktometers, die Prüfung des natürlichen Zuckergehalts mit mysteriöser Maschine und souveränem Kennerblick als typischste aller Berufsbewegungen des Winzers hat also ausgedient?

Bobbi Pieper:   Wie ich schon sagte: Der Riesling soll Charakter erhalten. Einen feinen, differenzierten Charakter.

HWZ:   Funktioniert der drachenfelsspezifische Kreislauf noch bei derart heißem Wetter, dass sich der Verwitterungstrachyt auf Euren Böden nachts wieder auflädt mit der Feuchtigkeit von Rhein und Tau?

Bobbi Pieper:   Diesen Effekt halte ich ganz allgemein für überbewertet. Momentan jedenfalls lässt die Hitze solchen Effekt kaum oder fast nicht zu.

HWZ:   Haben wir Wichtiges vergessen?

Bobbi Pieper:   Ja. Wir suchen Lesehelferinnen und -helfer. Es ist nicht mehr einfach, solche zu finden. Ähnlich wie Personal für Küche und Gastronomie. Ein Problem, dass wir lösen müssen – denn sonst kommt die Traube nicht vom Stock in den Keller.

HWZ:   Bleibt noch die alljährliche Frage: Wie hoch wird der Ertrag 2018?

Bobbi Pieper:   Der Behang jedenfalls ist wunderbar. Was allerdings noch eine Momentaufnahme darstellt. Denn ein massiver Hagelschlag kann alles ändern. bh