Unser Freund der Wald

NATUR: Wohfühlfaktor und Kulisse unserer Stadt

Das Stadtgebiet besteht zu mehr als 60 Prozent aus Wald. So steht es auf Bad Honnefs Homepage. Tatsächlich sind es sogar 63 oder 64 Prozent. Enorm. Wir sind eben die Stadt zwischen Fluss samt Insel, Wald im Siebengebirge und den Weinbergen am Drachenfels. Die City mit ihren Fachwerkhäusern und unsere lokale Sommerfrische in Aegidienberg vervollständigen den Eindruck: Wir leben da, wo Andere Urlaub machen.

Das ist etwas Besonderes. Unsere Gäste erzählen es uns. Sie genießen das Gesamt-Ensemble. Unsere Neubürger sind baff und können bald mit jeder Faser nachvollziehen, was von Humboldt mit seinem „rheinischem Nizza“ meinte. Unsere Vermieter und Hausverkäufer lassen sich das teuer bezahlen, denn in solchem Umfeld wohnen (fast) alle Leute gern. Doch wenn man auch gar nicht weiß, welcher Wohlfühlfaktor der wichtigste ist und auf welchen verzichtet werden könnte – der Wald gehört ganz sicher zu den Fundamenten der Kulisse.

Du kannst so lange suchen, bis Du alle fünf Bäche gefunden hast. Kannst Perlen wie Rommersdorf, Bondorf oder das alte Selhof entdecken. Kannst zählen und erkennen, dass im Siebengebirge weit mehr als sieben Berge stehen. Kannst im tollsten Jugendstilsaal Deutschlands nachvollziehen, dass Königin Sophie gern hierher kam, um wenigstens im Sommer Distanz zwischen sich und ihren royalen Gatten zu legen. (Was ihr weit besser gelang als Kollegin Sissy, die das gleiche Interesse durch Europa trieb.) Jedem sein Pläsier nach Lust und Wesen. Der größte gemeinsame Nenner aber bleibt: Wenn man in Bad Honnef etwas unternehmen will, geht man gern in den Wald. Allein oder in Gesellschaft. Dann sagt Mensch schon mal: „Herrlich, unser Wald!“ Gefühlt und besungen gehört zum Deutschen eben „unser“ Deutscher Wald.

Eines stimmt aber selten – weder hier noch sonst wo an Rhein und Sieg: Nur die Minderheit des Waldes ist wirklich „unser“. Neben solchen Staats-, Stadt- oder Gemeindewäldern existieren zahlreichere Wälder in Privat- oder Vereinsbesitz. Ein Graf zu Nesselrode besitzt gleich mehrere tausend Hektar – und bewirtschaftet diese aufopfernd und keinesfalls nur profitorientiert seit mehr als zwanzig Generationen. Der VVS (Verschönerungsverein Siebengebirge) hat zwar weniger, aber immer noch immense Fläche; die brachte er ein in einen weit größeren Naturpark, den er zum Dank seit gut 100 Jahren komplett und allein betreiben darf. Viele kleine und wenige große private Waldbesitzer ergänzen die Schar der Verantwortlichen.

Tendenziell gibt es immer Viele, die dem Wald an den Kragen wollen. Verkehrsplaner planieren ihn gern, Bauunternehmer stören hier nur die Bäume, Kommunen neigen zu Gewerbegebieten mittendrin mit grüner Alibi-Halskrause. Es ist nicht einfach, Wald nachhaltig zu erhalten. Ist er erst mal „weg“, dann kommt er selten wieder. Das wissen Alle, und doch drücken zu Viele, die das Sagen haben, zu oft die Augen zu. Dann überlassen sie das, was alle erfreut, den begehrlichen Flächenfressern. Boomtowns gründen eben auch auf Verlusten.

Alles nur Blah-blah-Lyrik!? Wirklich? Ist es so, dass die, die heute gern hier leben, das nachher auch noch tun? Nach Rodungen, mit weniger Grün? Hennef statt Honnef? Es wird eher so sein, dass die Verordner einer Reduktionsdiät in Sachen Natur dann ganz still sein werden. Sie werden feststellen, dass ihre Enkel nicht mehr dort den Waldrand finden, wo sie selbst es „einst“ gern taten. Vielleicht einen Kilometer weiter? Vielleicht zeugt es doch von Weitblick, mehr als das Annatal zu verteidigen. Vielleicht wohnt anarchistische Konzeptionslosigkeit doch eher in der rödelnden Betonmischtrommel als unter dem grünen Kathedralendach hoher Buchen. Bad Honnef jedenfalls würde Wesentliches von dem verlieren, was es einzigartig macht.

Keiner will Rückkehr zum selbstverordneten Stillstand. Warum auch? Der Aufbruch der Stadt ist ein Segen. Der neue, offene Blick nach vorn auch. Natürlich soll gebaut werden, 25 bis 30 Hektar stehen bereit. Das sind immerhin vierzig Fußballfelder. Noch mal so viel bietet Honnef Süd, das aber erst beraten und dann beplant werden will – hoffentlich auf der Basis einiger Entscheidung, was zu nutzen und was zu bewahren ist. Es bleibt gut, dass die Verwaltung alles auslotet und jeden Vorschlag zur Entscheidung unterbreitet. Das ist ihr Job, das ist die neue Gangart. Hier gereicht sorgfältige Beurteilung sensibler Bereiche zur Ehre und fällt nicht in die Kategorie der Majestätsbeleidigung. Die Fähigkeit zum Kompromiss ist eine Tugend. „Zum Wohle Bad Honnefs und seiner Bürger“ heißt die Pflicht.

In der City und in Rhöndorf stehen die größten Zedern nördlich der Alpen. Die Gigantin unter ihnen wird am Kindergarten in der Bernhard-von-Klein-Straße mit aufwändiger Technik gesichert. Wer sich solche Mühe macht um Exoten außerhalb der Wälder, der mag wenig weiter auch Sorge tragen um die nicht minder eindrucksvollen Riesen im Wald selbst. Dort sind sie zuhause. Es ist ein Dreischritt: Erst schützen und erhalten, dann planen und gestalten, zuletzt nutzen und genießen. Durchaus ehrgeizig, wegen der Gier des Betons oder einfach dem Umstand geschuldet, dass die Planung des Waldes von morgen satte 150 Jahre Perspektive braucht.

Manche Dinge liegen aber auf der Hand. Holz wird auch auf Dauer überragend begehrter Stoff wie Stahl und Stein sein. Wald bleibt der deutsche Tourismusmagnet noch vor Küste und Alpen. Gut, dass Forstwirtschaft und Naturschutz in NRW mittlerweile per Gesetz als Leitideen auf Augenhöhe definiert wurden. Da stände es Bad Honnef wirklich gut, etwa ein Zehntel seines Stadtwaldes aus der Nutzung zu nehmen. Etwa 90 Hektar Hochstamm-Buchen, die als Wildnisgebiet Tieren und Pflanzen ungestörte Reproduktion ermöglichen. Zumal die zu Recht in Aussicht stehende Stilllegungsprämie über Jahrzehnte mehr Geld brächte als der Holzverkauf. bh