Unsere Stadt in Prosa & Poesie: Das Lachen des Himmels

Wieder einmal traurig und enttäuscht, ohne zu wissen warum, schlenderte der Junge in der Abenddämmerung durch die kleine Stadt, wo er zuhause war. Zufällig oder gezielt, das konnte er selbst nicht sagen, gelangte er an den Spielplatz, auf dem er früher, als er noch klein war, häufig unter Aufsicht seines Großvaters gespielt, geklettert und getobt hatte. Hier hatte seine Schwester ihren ersten Milchzahn verloren und er selbst einen Schuh. Hier hatte er den ersten ernsthaften Streit mit seinem besten Freund gehabt. „Voller Erinnerungen – dieser Spielplatz“ dachte er, als er darauf zusteuerte.
Und da bemerkte er, dass er nicht der einzige Besucher war; am Abend hielten sich hier eigentlich keine spielenden Kinder auf, und die Jugendlichen bevorzugen andere Treffpunkte. Ein Mädchen hatte die Schaukel besetzt. Er kannte sie; sie besuchte die Parallelklasse und fiel immer überall auf, weil sie stets fröhlich war. Ganz im Gegensatz zu ihm selbst. Es schien als könnte sie über alles lachen! Ja! Da war es wieder! Ihr lautes und helles Lachen! Sie schaukelte hoch und dem Jungen kam es so vor, als würde sie mit ihren bloßen Füßen den Himmel kitzeln. Und es wirkte so, als würde daraufhin auch der Himmel lachen…
Der Junge war mit einem Mal nicht mehr traurig. Aber irgendwie verunsichert. Unsicher darüber, wie er überhaupt hierhergekommen war und darüber, was er hier eigentlich wollte. „Ich möchte hier wieder weg!“ wünschte sich der Junge. In diesem Augenblick öffnete das Mädchen ihre zuvor vom Lachen geschlossenen Augen und sah ihn an.
„Sie wird sich von mir gestört fühlen“ schoss es dem Jungen durch den Kopf – und das Herz.
„Hallo!“ lachte stattdessen und überraschend das Mädchen und verlangsamte ihr Schaukeln …

Franziska Lachnit (2016)

streifzuege_kol_2016

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert