Szene

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; hat man zumindest längere Zeit in der Gastronomie gedacht. Seit Jahren schon leiden Nachwuchsmusiker an der rapide schwindenden Zahl der Auftrittsmöglichkeiten in Cafés, Restaurants, Bars, etc. Zunehmende Nachbarschaftsintoleranz, das Totschlagargument GEMA und der auch immer wieder gern genommene Satz „Das ist nichts für meine Gäste“ sorgten dafür, dass es still in Deutschlands Kneipen wurde.

Das Ende vom Lied kennen Sie: nicht zuletzt auch das große Thema Nichtraucherschutz beschleunigte die Gesamtentwicklung, dass es speziell in der kleinen Kneipe an der Ecke nicht nur stiller sondern ebenso leerer wurde. Und auf leer folgte zu. Dieser bundesweite Trend ging natürlich auch an den 7gebirgswirten nicht spurlos vorbei. Wirtschaftliche Probleme, altersbedingtes Ausscheiden, fehlender Nachfolger, Laden dicht. Der Beruf hinter der Theke gehört wahrlich nicht zu den Top 10 auf der Attraktivitätsskala. Da freut man sich über jedes neue Licht am Szenehimmel.

Oder sollte ich eher sagen, im Szenekeller? Nähkästchengeplauder. Auf jeden Fall öffnet passend zum Wochenende der 7 Mountains Music Night am 2. Juni einer von Honnefs ehemaligen In-Schuppen unter neuer, versierter Leitung. Ach, wie hieß er noch gleich? Naja, Sie werdens bald erfahren. Und seien Sie gewiss, dass es dort alles andere als still zugehen wird, gerade und auch mit tatkräftiger Unterstützung versierter, Honnefer Musiker. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Zigarette

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; Zigaretten anscheinend ebenso, und mit Ihnen die Wahrheit. Vielleicht haben Sie ja auch schon die Diskussion um die neue 2-Euro-Münze mit dem Konterfei eines unserer letzten großen Staatsmänner mitbekommen. Oder Sie haben sie sogar schon im Portemonnaie.

Ich freue mich einerseits, dass der Zentralrat der Deutschen Bundesbank unsere gute, alte Schmidt Schnauze anlässlich seines 100. Geburtstages mit einer Gedenkmünze ehrt. Lächerlich hingegen ist, dass aus dem der Münze zugrunde liegenden Foto das omnipräsente Tabakröllchen aus des Altkanzlers Hand entfernt wurde. Das erinnert mich an eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle vor ein paar Jahren: Bilder, die lügen. Unliebsame Tatsachen oder Personen wurden schon seit jeher im Nachhinein aus den Bildern retuschiert, wenn es dem neuen Zeitgeist nicht gefällig war.

Wie weit soll das noch gehen? Gibts demnächst Che Guevara ohne Stern an der Mütze, Bob Marley ohne Joint oder Merkel ohne Raute? Deutsche Bundesbank, Ihr seid so kultur- und geschmacklos. Dass die von widerstreitenden Interessen geleitete Regenbogenjournaillie zu solch billigen Photoshoptricksereien greift, ist eins, aber dass eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts wie Ihr zu solch durchsichtigen Propagandamitteln greift, rüttelt doch ein wenig an den Grundfesten meines Staatsvertrauens. Ich werde mir jetzt so eine Münze besorgen und anschließend ein Helmut-Gedenk-Zigarettchen entzünden. Bis nächste Woche also, lügen Sie wohl.

Mohnschnecke

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; heute ist Dienstag, da ist sie nochmal entbehrlicher. Allerdings ist Dienstag in aller Regel mein Kulturgeflüstertag; Redaktionsschluss 14 Uhr, da gibts nix zu entbehren. Ich meine, morgen ist Mittwoch. Mittwochs ist immer wöchentliches „Großreinemachen“ bei uns im Büro. Da müssen wir für unsere Putzfrau die Schreibtische räumen.

Also ist das Beste am Dienstag, dass kein Mittwoch ist. Und Dienst habe ich heute auch nicht. Ein Dienstag ohne Dienst ist wie ein Donnerstag ohne Donner. Wobei es manchmal im Gewitter auch nur blitzt; und das Wetter soll ja schlechter werden. Freitag hab ich dann nochmal frei, das passt. Wenn dann am Samstag auch noch das Sams zurück kommt und am Sonntag die Sonne, ist ja wieder alles im Lot und die Woche rum.

Apropos Rum, ich könnt mich grad rumkugeln. Wenn mich mein Osterinstinkt nicht trügt, werden auch dieses Jahr wieder jede Menge Eier versteckt, aber Hauptsache nicht auf meinem Schreibtisch. Bis nächsten Mittwoch ist Zeit genug, dass die Dinger anfangen zu stinken. Außerdem hat Ei ja eh zu viel Cholesterin. Also her mit dem ungesunden Leben. Am Montag werde ich mir eine Mohnschnecke gönnen, damit ich dann wieder für den dienstäglichen Geflüsterschluss gerüstet bin. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Baff

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; wenn ich in der Vergangenheit nun ein „zumindest bei der Öffentlichen Hand“ folgen ließ, hab ich meistens richtig gelegen. Aber wie ich so zufällig mitten in der Nacht nach der Staatsministerin für Kultur und Medien google, fällt mir auf, dass ihr Etat im Bund für 2018 rund 1,7 Milliarden Euro beträgt und damit 17% mehr als 2017. Ich bin baff. Da werden doch bei uns tatsächlich nicht nur die Rüstungsausgaben erhöht sondern auch der Kulturetat.

Es ist noch nicht Hopfen und Malz verloren. Aber wofür wird das Geld nun eigentlich ausgegeben? Natürlich fließt es in solche Projekte wie Orgelsanierungen, die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes, den digitalen Ausbau der Deutschen Welle, die Sanierung von Synagogen und sogar der Vorbereitung von Beethoven 2020. Hoch lebe die Hochkultur.

Aber halt, in einem Nebensatz finde ich die Förderung der Initiative Musik, namentlich der Rock-, Pop- und Jazzmusik: 1,5 Mio Euro, Wahnsinn, knapp 0,1% des Gesamtetats. Ich spring aus dem Fenster. Da könnte ich direkt Kulturalmosenpfleger des Bundes werden. Wobei, die Versuchung wäre zu groß, mit den anderthalb Mios in der Tasche wäre die 7 Mountains Music Night die nächsten 50 Jahre gesichert; Inflationsrate ausgenommen. Poff! Sorry, der Wecker klingelt, muss über dem Zahlenstudium eingenickt sein. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Swingjazz

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; insbesondere das ganze Drumherum wie Mails, Verträge, Rechnungen, Steuern, etc. Aber was beschwer ich mich über die Geister, die ich rief, und die ich jetzt mit Beelzebub nicht mehr aus dem Wald gefegt bekomme, in den ich vorher hineingerufen habe, damit es mir doppelt so laut wieder heraus brüllt. Also gibt‘s angedenk des bevorstehenden HWZ-Redaktionsschlusses erstmal ein kleines Entspannungsgeflüster für mich, Lockerungsübung für Geist und Finger.

Da freu ich mich besonders, zur Abwechslung auch wieder mal eine Konzertankündigung machen zu dürfen. Diesen Sonntag, 18.3., begrüßen wir den Frühling ab 11 Uhr mit der letzten Wintermatinée und der Formation BLUESTONE. Das in der Region beheimatete Quintett um die charmante Sängerin Ruth Zimmermann lockt die Sonne mit einem smoothigen Swingjazz hervor.

Clemens Chamai wird im gleichnamigen Restaurant in Rhöndorf am Ziepchesplatz mit seinem Team dafür sorgen, dass die Atmosphäre durch ein passendes Weinchen und einen leckeren Imbiss dementsprechend aufgelockert wird. Tja, und ab April geht es dann weiter mit dem 7 Mountains Summer Jazz Festival, welches am 8. seine Premiere in der Talstation der Königswinterer Drachenfelsbahn feiert. Später dazu an dieser Stelle mehr. Alsdenn wieder zurück zu Finanzamt, Bank, Rechtsanwalt und Provider. Bis Sonntag also, hören Sie wohl.

Flaschenpost

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; na ja, zumindest aber mal vergänglich. Oder ? Vielleicht haben Sie auch gelesen, dass eine Australierin gerade eine deutsche Flaschenpost von 1886 gefunden hat. „Flaschenpost – was für ein herrliches altmodisches Ding“, schrieb der Bonner General-Anzeiger.

Den naheliegenden Witz über die Brieflaufzeiten der deutschen Bundespost erspare ich mir jetzt mal. Mich hat die Meldung aber deshalb so gekriegt, da wir am Wochenende bei unserer üblichen Rheinrunde tatsächlich auch eine Flaschenpost im Gestrüpp gefunden haben. Ok, von 1886 war sie nicht, und um die halbe Welt ist sie auch nicht gereist.

Alina, 7 Jahre, hat die Flaschenpost in Speyer an den Rhein übergeben, der sie gerade mal 253 km weiter wieder ans Ufer gespuckt hat. Da kamen schon ein paar nostalgische Gefühle auf. Ein handgeschriebener Brief an sich ist ja schon ein Stück Vergangenheitskultur, heute leider etwas aus der Mode gekommen, aber dann noch ganz ohne Briefmarke und in Flaschenverpackung. Wie schön, dass es so was noch gibt.

Wir haben der jungen Dame ein paar nette Zeilen geantwortet, im Umschlag auf dem normalen Postwege und mit ein paar Süßigkeiten garniert. Den ursprünglichen Brief haben wir übrigens wieder in die Flasche gerollt und dem Fluss übergeben; auf dass sich ein weiterer Finder freut, muss ja nicht erst im Jahre 2150 sein. Bis nächste Woche also, finden Sie wohl.

Osterwieck

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; zumindest bei Teilen unserer Kinder in Teilen unserer Republik. Kennen Sie Osterwieck, eine 11.000 Einwohner-Gemeinde in Sachsen-Anhalt? Nein? Ich bislang auch nicht. Aber letzte Woche rauschte eine dort ansässige Grundschule durch den bundesweiten Blätterwald. Ein ursprünglich interner „Elternbrief zur Schulsituation“ erlangte über eine lokale Tageszeitung überregionale Aufmerksamkeit. Das Lehrerkollegium berichtet darin von „permanent auftretenden, gravierenden Verhaltensproblemen vieler Schüler“, „extremer Gewalt, Körperverletzungen und Schlägereien“, „Sabotage“ sowie einer generellen „Gefühlskälte“ der Schüler untereinander. Gewalt auf dem Pausenhof ist ja mittlerweile kein Aufregerthema mehr und leider schon länger Teil unserer Jugendkultur, allerdings hat mich das Präfix „Grund“ vor der Schule denn doch etwas erschüttert. Dass man sich im Kindesalter mal knufft oder schubst, okay, aber dass ein normalerweise für erzieherische Maßnahmen ausgebildeter Lehrkörper mit solch drastischen Worten vor den Mini-Coopern kapituliert, gibt einem mehr als zu denken. Und bevor jetzt wieder jemand die Migrantenkeule schwingt: in der betreffenden Lehranstalt, laut Landesschulamt „ausdrücklich keine Brennpunktschule“, gibt es unter 162 Erst- bis Viertklässlern genau einen ausländischen Mitschüler. Aber wahrscheinlich trainieren die kleinen Racker dort schon für den nächsten G20-Gipfel in Deutschland – oder für die Nachwuchsultras vom 1. FC Magdeburg. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Kuss

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; obwohl Kultur ja immer mit Sinneseindrücken zu tun hat. Und manche Sinneseindrücke sind bleibend. Steig ich doch neulich früh morgens zu meinem Fahrgemeinschaftskollegen ins Auto, läuft im CD-Player „I’ll meet you at midnight“ von der Gruppe Smokie aus dem Jahr 1976. Just zu jener Zeit war ich mit der Familie auf Verwandtenbesuch in der damaligen DDR.

Wir verbrachten den Jahreswechsel in einem kleinen Örtchen mitten im tief verschneiten Harz. Als 14-jähriger Wessiejunge kam ich natürlich schnell mit der Dorfjugend in Kontakt, die mich ausgiebig in ihre Partykultur einführte. Da Alkohol die Stimmung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges lockert, begab es sich zu vorgerückter Stunde, dass ein süßes Harzer Mädel mir in einem kleinen Hinterzimmer den ersten Erwachsenenkuss meines Lebens ins Gesicht drückte. Unforgettable.

Die morgendliche Fahrt wurde zur Zeitreise 40 Jahre in die Vergangenheit. Verkehr, Regen und Ausweiskontrolle gingen unter in einem Schleier von bollerndem Kaminofen, wohligem Holzgeruch und weicher Zunge mit Hasseröder-Bier-Aroma; I’ll meet you at midnight. Kultur kann, wenn sie einen zum passenden Zeitpunkt ereilt, zum unvergesslichen Erlebnis werden. Bis nächste Woche also, küssen Sie wohl.

Kölsch-Alt-Schorle

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; vielleicht hier und da, aber bestimmt nicht in einer multikulturellen Branche wie dem Tourismus. Kultur und Tourismus befruchten sich nämlich gegenseitig, auch wenn das bei einigen Köpfen in Schlüsselpositionen noch nicht angekommen ist.

Angekommen ist allerdings ein Vertreter der alternativen deutschen Rechtskultur an der Spitze des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages. Sebastian M., seines Zeichens wegen körperlicher Gewalt vorbestrafter, sogenannter Politiker, soll als genau dessen Vorsitzender gewählt werden. Nachdem er im Parteienschacher soeben noch vom Kulturausschussvorsitz ferngehalten werden konnte, ist er nun dort gelandet, wo er selber wahrscheinlich gar nicht hin wollte.

Wer aggressive Körpersprache im Allgemeinen und aus ausländerfeindlichen Gründen insbesondere einsetzt, kann doch wohl nicht ernsthaft Spaß daran haben, Gäste aus aller Welt in unser schönes Land zu locken, geschweige denn, kompetent dafür sein. Abgesehen davon, dass Rechts und Kultur sich für mein Empfinden gegenseitig ausschließen wie z.B. Gas-Brems-Pedal oder Kölsch-Alt-Schorle, beginne ich angesichts solcher Repräsentanten unserer staatlichen Gremien ernsthaft zu überlegen, beizeiten auszuwandern. Bis nächste Woche also, hören Sie wohl.

Rhöndorfese

Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kultur ist entbehrlich; aber wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Stimmt es, dass es sein muss, ist schon wieder Karneval? Wobei, ein großer Teil der Honnefer Bevölkerung tanzt und singt sich ja bereits seit Anfang des Jahres durch den Kursaal oder einen der anderen raderdollen Säle des 7gebirges. Mein ursprünglich westfälisch angeborenes, tiefes Misstrauen der 5. Jahreszeit gegenüber habe ich ja bereitwillig schon vor einigen Jahren aufgegeben. Aber was bedeutet nochmal carne vale? Die letzten vorhandenen Fleischbestände in wildem Treiben und Feiern verzehren? Natürlich nur wegen der nachfolgenden Fastenzeit. Oh Verzeihung, da bin ich wohl im falschen Wiktionary gelandet. Wildes Treiben und Feiern; Damensitzung oder was? Kleiner Westfalenscherz. Mädels, ich liebe euch und breche eine Lanze für eure fröhliche Ausgelassenheit. Weiberdonnerstag wird auf jeden Fall das Weingut Broel wieder bis in seine gut gefüllten Katakomben erbeben, wenn durchs Kelterhaus die Polonaise Rhöndorfese schaukelt und bei den letzten vorhandenen Fleischbeständen die Löcher aussem Käse fliegen. Bis nächste Woche also, schaukeln Sie wohl.